Forschung am Institut für Geowissenschaften

Dem internationalen Trend folgend hat sich das Mainzer Institut für Geowissenschaften auf integrative Erdsystemforschung ausgerichtet und fokussiert auf zwei Schwerpunkte, nämlich „Dynamik der Festen Erde“ und „Hochauflösende Paläoklimaforschung (Paläowetter, Paläoklima, Paläoumwelt)“. Darüber hinaus arbeiten zwei Arbeitsgruppen in angewandten Themenbereichen.

1. Dynamik der Festen Erde

Die Erde ist in ständiger Bewegung. Kollisionen der Lithosphärenplatten schaffen Gebirgsketten, welche von vulkanischer Aktivität und großen Erdbeben begleitet werden. Wir interessieren uns für ein besseres Verständnis dieser Prozesse, sowohl heute, wie auch in Zeiten der frühen Erde. Hierzu ist eine interdisziplinare Zusammenarbeit notwendig, bestehend aus geologischer Feldarbeit, Laborexperimenten, geochemischen Analysen und Computer-Modellen. Wir sind Teil der Forschungsgruppe VAMOS (Volcanoes, Atmosphere and Magmatic Open Systems), welche der Frage nachgeht, wie Magmen entstehen, zur Erdoberfläche transportiert werden und als Vulkaneruptionen mit der Atmosphäre interagieren.

Die AG Petrologie (Univ.-Prof. Dr. Roman Botcharnikov) untersucht die Formation der magmatischer Gesteine mittels geochemischer Analysen, Hochdruck-Experimenten und Geländearbeiten, um die Schmelzprozesse im Erdmantel zu rekonstruieren.

Die AG Metamorphe Prozesse (Junior-Prof. Dr. Evangelos Moulas) entwickelt thermodynamische Modelle für Minerale und Schmelzen, um die Druck- und Temperaturbedingungen zu bestimmen, unter denen die Gesteine sich gebildet haben, die wir heute an der Erdoberfläche finden.

Die AG Tektonik und Strukturgeologie (Univ.-Prof. Dr. Virginia Toy) rekonstruiert aus Geländearbeit, mikroskopischen Untersuchungen und Experimenten die tektonischen Bewegungen sowie die Deformationsprozesse der Gesteine unter Druck sowie die dadurch resultierenden Formveränderungen über geologische Zeiträume.

Die AG Geophysik (Univ.-Prof. Dr. Boris Kaus) simuliert geologische Prozesse auf dem Computer und vergleicht die Resultate mit geologischen und geophysikalischen Meßdaten.

Die AG Vulkanologie (Univ.-Prof. Dr. Jonathan Castro) untersucht, wie Vulkane funktionieren. Hierzu wird Geländearbeit mit Labor-Experimenten kombiniert (es werden Mini-Eruptionen im Labor simuliert). Außerdem arbeitet die Gruppe intensiv mit dem MPI (Max-Planck-Institut) für Chemie zusammen, mit Prof. Dr. T. Wagner, welcher den Gasausstoß vulkanischer Eruptionen über Satellitenbeobachtungen auswertet. Eine enge Kooperation besteht auch mit dem Institut für Atmosphärische Physik, an dem Univ.-Prof. Dr. P. Hoor und Jun.-Prof. Dr. C. Voigt die Zusammensetzung vulkanischer Gaswolken vom Flugzeug aus messen. Schließlich wird die Entwicklung neuer Meßtechniken für die Zusammensetzung vulkanischer Gase gemeinsam mit der Arbeitsgruppe um Univ.-Prof. Dr. T. Hoffmann aus dem Institut für Anorganische Chemie vorangetrieben.

2. Hochauflösende Paläoklimaforschung

Räumlich und zeitlich hoch aufgelöste Paläoklimadaten stellen die Grundlage zur Validierung und Optimierung numerischer Klimamodelle dar. Solche Daten sind Voraussetzung für verläßliche Prognosen der zukünftigen Klimaentwicklung, insbesondere der Häufigkeit und Stärke von Extremwetterereignissen. Da instrumentelle Messungen fehlen, rekonstruieren die Mainzer Geowissenschaften die ehemaligen Umweltparameter aus sog. Proxy-Daten, das sind chemische, physikalische und biologische Vertreterdaten, die in verschiedenen Klimaarchiven wie Seesedimenten, Höhlensintern (Speläothemen) und Schalen von Mollusken gespeichert sind. Diese Archive werden präzise datiert und Zeitreihen von Proxydaten zur Rekonstruktion jährlicher und saisonaler Klimaparameter bestimmt. Neben bereits etablierten Proxies werden in Mainz auch neue Klimaproxies entwickelt und validiert. Im Mittelpunkt der Untersuchungen stehen Paläowetter, Paläoumwelt und Paläoklima des Quartärs, insbesondere die letzten 10.000 Jahre, der Zeitraum, in dem der Mensch erheblichen Einfluß auf die Klimaentwicklung nahm.

An Seesedimenten mit Jahresschichtung analysiert die AG Klima und Sedimente (Univ.-Prof. Dr. Frank Sirocko) Pollen sowie mineralogische und geochemische Proxies zur Rekonstruktion der Klima- und Vegetationsdynamik.

Biogene Hartgewebe mit jährlichen und täglichen Wachstumsinkrementen, insb. Schalen von Muscheln und Schnecken sowie Zähne von Wirbeltieren werden mit räumlich und zeitlich hochaufgelösten stabilen Isotopen- und Spurenelementanalysen von der AG Paläontologie/Sclerochronologie (Univ.-Prof. Dr. Bernd R. Schöne) untersucht.

Höhlensinterablagerungen (Speläotheme) werden von der AG Speläothemforschung (Univ.-Prof. Dr. Denis Scholz) mit der U-Th Methode radiometrisch datiert, um Zeitreihen geochemischer Klima- und Umweltproxies zu erstellen.

Marine und kontinentale Sedimente aus Zeiträumen, die von der jüngsten Vergangenheit bis zu mehr als 3 Milliarden Jahren reichen, werden von der AG Sedimentgeochemie (Univ.-Prof. Dr. Philip Pogge von Strandmann) analysiert, wobei häufig neue Leichtmetallisotope (z. B. Li, Mg, Ca, Si) verwendet werden. Anschließend werden die biogeochemischen Kreisläufe der Elemente, einschließlich des Kohlenstoffkreislaufs, rekonstruiert und modelliert.

Die AG Biomineralisation (Junior-Prof. Dr. Anne Jantschke) untersucht die Bildungsmechanismen und strukturellen Eigenschaften von Biomineralen in Mikroalgen, erforscht deren Anwendungspotenzial und untersucht deren biogeochemische Relevanz für den Kreislauf verschiedener Elemente.

O.g. Arbeitsgruppen kooperieren eng mit dem MPI für Chemie, den Chemischen Instituten sowie mit den AGs Klimatologie/Dendrochronologie, Bodenkunde und Geomorphologie am Geographischen Institut.

3. Weitere Forschungsthemen

Zwei weitere AGs des Hauses beschäftigen sich mit angewandten geowissenschaftlichen Themen, nämlich die AG Edelstein- und Materialforschung (Dr. Tobias Häger) und die AG Hydrogeochemie (Univ.-Prof. Dr. Michael Kersten). Beide Arbeitsgruppen sind vor allem interessiert an den Bausteinen der Erde, den Bodenschätzen, der Archäometrie sowie den Abfalldeponien und deren Interaktion mit der Hydrosphäre. Die Mineral- und Gesteinsmikrostrukturen werden analysiert über die mineralogischen Gittereigenschaften und den Fluidtransport im Porenraum. Chemische Untersuchungen werden mit Hilfe der Festkörper-Spektroskopie und anderen modernen Instrumenten der Spurenelementanalyse durchgeführt. Weitere Forschungsfelder sind: (i) Modelle zu entwickeln, wie Mineralien gebildet und Spurenelemente darin eingelagert werden, (ii) Modelle über den Transport von Reaktionslösungen im Porenraum, (iii) die standardisierte Reproduk
tion von Geomaterial im Labor und deren Vergleich mit den komplexen Reaktionswegen in der Geosphäre, (iv) Nachweisbarkeit von Echtheit und Reinheitsgrad von Edelsteinen, (v) Überprüfung der möglichen Anwendung für die industrielle Technologie und Umweltverträglichkeit, und zuletzt (vi) die Anwendung von zerstörungsfreien mikroanalytischen Techniken für archäologische Artefakte (Archäometrie).