50 Jahre Forschungsreaktor TRIGA in Mainz

Experimentieranlage im Dienst der Forschung und Ausbildung / Mainzer Forschungsreaktor wird zu internationaler User Facility ausgebaut

03.08.2015

Drei Forschungsreaktoren werden zurzeit in Deutschland betrieben – einer davon steht in Mainz und feiert dieses Jahr sein 50-jähriges Jubiläum. Am 3. August 1965 hatte Fritz Straßmann die Anlage auf dem Gelände der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) erstmals in Betrieb genommen. Der Routinebetrieb begann 1967 mit der offiziellen Einweihung durch den Nobelpreisträger Otto Hahn. Seit dieser Zeit kamen Hunderte von Wissenschaftlern aus Deutschland und der ganzen Welt an den Reaktor mit der starken Neutronenquelle, um Grundlagenforschungen in der Kernchemie, Kernphysik und Physik vorzunehmen. Ein Teil dieser wissenschaftlichen Arbeiten ist weltweit einmalig. Das Mainzer Institut für Kernchemie feierte das Betriebsjubiläum mit rund 200 Gästen aus Wissenschaft und Politik, wobei auf die 50 zurückliegenden Jahre, aber auch nach vorn geblickt wurde.

Seit 1967 wird der TRIGA Mark II Forschungsreaktor, so die offizielle Bezeichnung, an 200 Tagen im Jahr genutzt. Im Dauerbetrieb kann er mit einer maximalen thermischen Leistung von 100 Kilowatt gefahren werden. Gemessen daran ist der TRIGA Mainz weltweit einer der kleinsten Forschungsreaktoren. Die Leistung ist etwa 30.000 Mal kleiner als bei einem typischen Kernkraftwerk. Außer dem Dauerbetrieb ist allerdings auch ein Impulsbetrieb möglich, bei dem für etwa 30 Millisekunden eine Spitzenleistung von 250.000 Kilowatt erreicht wird. Dabei entsteht die blaue Tscherenkow-Strahlung, hervorgerufen durch geladene Teilchen, die sich im mit Wasser gefüllten Reaktorbecken schneller bewegen als das Licht. Das bläuliche Tscherenkow-Leuchten, das charakteristische Merkmal des Reaktors, wird auch in Zukunft noch oft zu sehen sein.

Der TRIGA Mainz ist seit seinen Anfängen rund 20.000 Mal gepulst worden. Bis auf eine kurze Umbauphase 1995 zur Erneuerung der Kühlkreisläufe lief er ohne Unterbrechung störungsfrei. Aufgrund des verwendeten Brennstoffmaterials, bestehend aus einer speziellen Legierung mit weniger als 20 Prozent Uran-235, ist der Reaktortyp inhärent sicher, das heißt unkontrollierbare Kettenreaktionen oder eine Kernschmelze sind physikalisch ausgeschlossen. Nach dem Reaktorunglück in Fukushima wurden 2012 zusätzliche Sicherheitsüberprüfungen durchgeführt mit dem Ergebnis, dass von dem Forschungsreaktor keine Gefährdung für die Bevölkerung ausgeht.

Der TRIGA Mainz wird als Neutronenquelle für Präzisionsexperimente in der Kernchemie, Kernphysik und Physik sowie für medizinische und biologische Fragestellungen genutzt. Aber auch bei der Analyse von Solarzellen auf Spurenelemente oder der Untersuchung von archäologischen Funden kommt er zum Einsatz. Durch die Bestrahlung von Mondstaub mit Neutronen ist es zum Beispiel gelungen, die Zusammensetzung und das Alter des Mondes exakt zu bestimmen. Diese teilweise einmaligen Arbeiten werden häufig in Kooperation mit Partnern im In- und Ausland durchgeführt. Zudem dient der TRIGA als Ausbildungsstelle in der Kern- und Radiochemie, im Strahlenschutz und der Reaktorphysik für Wissenschaftler, Studierende, Lehrer, Ingenieure und Techniker.

Ein neues Kapitel in der Geschichte des Mainzer Forschungsreaktors begann mit dem Erfolg in der Bundesexzellenzinitiative 2012: Der TRIGA-Reaktor spielt in dem genehmigten Exzellenzcluster PRISMA eine zentrale Rolle. Die Anlage wird zu einer User Facility ausgebaut, an der nationale und internationale Forschergruppen mit sehr langsamen, sogenannten ultrakalten Neutronen (UCN) experimentieren können. Mainz verfügt über eine der leistungsstärksten Quellen für UCN. Eine zweite Quelle wird gerade zusammen mit der TU München aufgebaut und soll 2016 in Betrieb gehen.

Damit ist das Nutzungsspektrum des TRIGA-Reaktors noch nicht erschöpft: Bei den TRIGA-SPEC-Experimenten, ebenfalls Teil des Exzellenzclusters PRISMA, werden kurzlebige Atomkerne erzeugt und untersucht, um Aufbau und Form der Kernmaterie zu erforschen. Seit vielen Jahren schon werden am TRIGA schnelle Trennmethoden entwickelt und angewendet, um kurzlebige Spaltprodukte sowie die in Teilchenbeschleunigern erzeugten sogenannten superschweren Elemente in Zusammenarbeit mit dem GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung und dem Helmholtz-Institut Mainz (HIM) zu untersuchen. Darüber und über die weitere Nutzung der Anlage informieren die Betreiber um Betriebsleiter Dr. Christopher Geppert jährlich 600 bis 800 Besucher bei öffentlichen Führungen.