Internationales Forscherteam entdeckt am BES-III-Experiment in Peking neues exotisches Teilchen

Beteiligung der Johannes Gutenberg-Universität Mainz im Rahmen des Sonderforschungsbereichs 1044 der Deutschen Forschungsgemeinschaft

27.03.2013

Ein internationales Team von Wissenschaftlern, die das BES-III-Experiment in Peking am Elektron-Positron-Beschleuniger BEPC-II betreiben, hat die Entdeckung eines neuen Teilchens verkündet. Das subatomare Teilchen mit der Bezeichnung Zc(3900) besitzt eine Masse, die ungefähr der eines Helium-Kerns entspricht und hat eine Lebensdauer von 10-23 Sekunden, also Bruchteile einer Milliardstel Mikrosekunde. Die Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) ist am BES-III-Experiment im Rahmen des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Sonderforschungsbereichs 1044 – "Die Niederenergie-Grenze des Standardmodells: Von Quarks und Gluonen zu Hadronen und Kernen" beteiligt. Die Mainzer Beiträge zu BES-III sind auch Bestandteil des Exzellenzclusters PRISMA der JGU, der kürzlich in die Förderung der Bundesexzellenzinitiative aufgenommen wurde.

Die am BES-III-Experiment beteiligten Wissenschaftler hatten Ende Dezember 2012 eine Reihe dedizierter Untersuchungen des ebenfalls unverstandenen Teilchens Y(4260) begonnen, das ursprünglich im Jahr 2005 am SLAC National Laboratory in Stanford in Kalifornien entdeckt wurde. Aufgrund der Tatsache, dass dieses Teilchen im Gegensatz zu Vorgängerexperimenten am BES-III-Experiment in direkter Produktion am Beschleuniger erzeugt werden kann, konnte bereits zwei Wochen nach Beginn der Messungen die Statistik aller existierenden Vorgängermessungen übertroffen werden. Als ein überraschender und vollkommen unerwarteter Befund wurde nun beobachtet, dass das Y(4260) in das möglicherweise noch mysteriösere Teilchen Zc(3900) zerfällt.

Bei Y(4260) könnte es sich um eine Klasse von subatomaren Teilchen handeln, den sog. Psi-Teilchen, die aus einem Charm-Quark und einem Anti-Charm-Quark, also der Antimaterie des Charm-Quarks, zusammengesetzt und durch die starke Kernkraft gebunden sind. In der allgemein akzeptierten Theorie der starken Kernkraft, der sog. Quantenchromodynamik (QCD), ließen sich bisher keine präzisen Vorhersagen für die Masse der gebundenen Zustände treffen. Es existieren jedoch QCD-basierte Modelle, die ungefähre Vorhersagen leisten. Die Existenz des Y(4260)-Teilchens ist nun deshalb so interessant, weil seine Masse nicht mit einer der gängigen Vorhersagen für das Spektrum der Psi-Teilchen übereinstimmt. Eine Erklärung könnte darin liegen, dass es sich bei Y(4260) um eine neue, bisher noch nicht zweifelsfrei bestätigte Form von gebundener Materie handelt, die als Vier-Quark-Zustand bezeichnet wird. Dabei besitzt das Teilchen neben einem Charm- und einem Anti-Charm-Quark noch zwei weitere Quark-Konstituenten. Solch ein Vier-Quark-Zustand ist in der Theorie der Quantenchromodynamik prinzipiell möglich. Die Zahl der Y(4260)-Teilchen sowie die Qualität der Daten war allerdings bisher noch nicht ausreichend, um eine eindeutige Aussage formulieren zu können.

Das BES-III-Experiment hat es sich nun zum Ziel gesetzt, das Y(4260)-Teilchen weiter zu erforschen. Als überaus überraschender Befund wurde dabei der häufige Zerfall in das Zc(3900)-Teilchen entdeckt, das im Gegensatz zu Y(4260) eine elektrische Ladung besitzt. "Dadurch ist eindeutig bewiesen, dass es sich um einen gebundenen Zustand handeln muss, der nicht ausschließlich aus Charm- und Anti-Charm-Quarks besteht. Dies ist bei dem Y(4260)-Teilchen weniger eindeutig, da es elektrisch neutral ist", erläutert Univ.-Prof. Dr. Achim Denig vom Institut für Kernphysik der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und Sprecher des Sonderforschungsbereichs 1044. "In der Tat wäre ein Vier-Quark-Zustand eine mögliche Erklärung für das nun gefundene Teilchen Zc(3900)."