Physiker Johannes Henn erhält ERC Consolidator Grant

Förderung in Höhe von ca. 2 Millionen Euro zur Entwicklung neuer Berechnungsmethoden in der theoretischen Physik

31.01.2017

Prof. Dr. Johannes Henn, Professor für mathematische Physik an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU), erhält eine der höchstdotierten Förderungen des Europäischen Forschungsrats, um neue Berechnungsmethoden in der theoretischen Physik zu entwickeln. Henn wurde im Juni 2015 vom renommierten Institute for Advanced Study (IAS) in Princeton, New Jersey, USA, nach Mainz berufen. Er gehört zu den führenden Theoretikern auf dem Gebiet von Streuamplituden, die zur Beschreibung von Experimenten an Teilchenbeschleunigern erforderlich sind. Henn verfolgt dabei einen innovativen Ansatz, der auf einem besseren Verständnis der analytischen Eigenschaften von Streuamplituden beruht. Der Europäische Forschungsrat (European Research Council – ERC) unterstützt das Projekt in den kommenden fünf Jahren mit einem ERC Consolidator Grant in Höhe von ca. 2 Millionen Euro.

Johannes Henn, geboren 1980 in München, hat seine akademische Karriere in Frankreich begonnen. Im Jahr 2005 schloss er ein Studium an der École normale supérieure de Lyon ab, 2008 beendete er seine Doktorarbeit in der theoretischen Teilchenphysik am Laboratoire d'Annecy-Le-Vieux de Physique Théorique. Nach einer ersten Forschungsperiode als Postdoc an der Humboldt-Universität Berlin von 2008 bis 2011 hat Henn bis zu seiner Berufung nach Mainz am Institute for Advanced Study in Princeton geforscht. Das IAS, an dem schon Albert Einstein gearbeitet hat, ist auf dem Gebiet der theoretischen Teilchenphysik weltweit führend. "Als reines Forschungsinstitut war das IAS die ideale Umgebung, um durch Diskussionen mit Kollegen und mit Zeit für ungestörte Überlegungen völlig neue Denkansätze zu entwickeln", erläutert Henn. Auf diesen Vorarbeiten bauen seine künftigen Forschungen, die durch den ERC Grant gefördert werden, auf.

Henns Forschungsgebiet ist die Quantenfeldtheorie. Sie wurde in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts entwickelt und beschreibt, vereinfacht gesagt, die Wechselwirkung von Elementarteilchen. Zur grafischen Darstellung haben sich Feynman-Diagramme etabliert, die die Wechselwirkungen zwischen den Teilchen visualisieren. In seinem ERC-Projekt wird Johannes Henn die Methoden der Quantenfeldtheorie verfeinern, um die Theoretiker in die Lage zu versetzen, Vorhersagen für hochpräzise Experimente zu machen, wie sie derzeit am Large Hadron Collider (LHC) am CERN laufen. Von besonderem Interesse ist zum Beispiel ein Vergleich der Theorien mit den tatsächlich gemessenen Eigenschaften des Higgs-Bosons, das 2012 als letztes Elementarteilchen des Standardmodells am CERN entdeckt wurde. Mit dem weiteren Ausbau des LHC und Experimenten bei noch höheren Energien werden immer genauere Ergebnisse vorgelegt, die auf Seiten der Theorie neue Berechnungen verlangen.

Vereinfachung von mathematischen Strukturen der Quantenfeldtheorie

Traditionelle Rechenmethoden treffen hier schnell an ihre Grenzen. Henn geht es daher bei seiner Arbeit zunächst um die mathematische Struktur der theoretischen Modelle und deren Vereinfachung, wodurch die Anwendung der Theorie auf die Experimente erst möglich wird. Er selbst arbeitet vor allem daran, grundlegende Strukturen zu verstehen und effiziente Methoden zu finden, um Streuprozesse auszurechnen. Streuprozesse entstehen in Beschleunigern wie dem LHC beim Zusammenstoß von Teilchen und werden durch sogenannte Streuamplituden im Rahmen der Quantenfeldtheorie beschrieben. "Oft findet man am Ende einer komplizierten, seitenlangen Rechnung ein sehr einfaches Resultat. Für Physiker ist dies ein Hinweis auf einfachere Zusammenhänge und neue Eigenschaften der Theorien, die bisher noch nicht bedacht wurden. Das Ziel ist es dann, neue Prinzipien zu entdecken, die diese und zukünftige Rechnungen vereinfachen", beschreibt Henn. Ihm ist es insbesondere gelungen, eine neue Technik für die Berechnung von Feynman-Integralen aufzuzeigen, die mittlerweile weit verbreitet ist. "Wenn man nach überraschenden, einfachen Strukturen sucht, wird man in der Quantenfeldtheorie oft fündig", erklärt der Physiker mit einem Hinweis darauf, dass sich das Forschungsgebiet in den letzten zehn Jahren sehr dynamisch entwickelt und ständig neue Entdeckungen hervorbringt.

In den anderthalb Jahren seit seiner Berufung nach Mainz hat Henn eine Arbeitsgruppe aufgebaut, deren Forschung nun auch durch die ERC-Förderung unterstützt wird. Die Ergebnisse werden schließlich auch dazu beitragen, die fundamentalen Parameter der Natur, wie etwa die Wechselwirkungen des Higgs-Bosons, mit noch höherer Genauigkeit zu messen. Darüber hinaus werden Ergebnisse erwartet, die einen maßgeblichen Beitrag zur Suche nach ganz neuen Teilchen liefern.

Im Februar 2017 organisiert Henn in Kooperation mit Kollegen eine zweiwöchige Konferenz am Theoriezentrum Mainzer Institut für Theoretische Physik (MITP), zu der renommierte internationale Wissenschaftler an der JGU erwartet werden. Die Arbeiten der Theoriegruppe sind darüber hinaus in den Exzellenzcluster "Precision Physics, Fundamental Interactions and Structure of Matter" (PRISMA) eingebunden, der im Rahmen der Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder gefördert wird.

Bei dem ERC Consolidator Grant handelt es sich um eine der höchstdotierten Fördermaßnahmen der EU für einzelne Wissenschaftler. Der Europäische Forschungsrat fördert damit herausragende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am Beginn ihrer unabhängigen Karriere, das heißt in der Regel zwischen 7 und 12 Jahre nach der Promotion, wenn das eigene Forschungsprogramm ausgebaut wird. Johannes Henn ist somit einer der jüngsten Forscher, die diese persönliche Auszeichnung erhalten. Zusätzlich zur wissenschaftlichen Exzellenz müssen die Antragsteller den bahnbrechenden Ansatz ihres Projekts und seine Machbarkeit nachweisen, um die Förderung zu erhalten.