IceCube liefert Anzeichen für Neutrinos aus dem Kosmos

IceCube-Detektor am Südpol entdeckt 28 hochenergetische Neutrinos / Veröffentlichung in Science

22.11.2013

Das Neutrino-Observatorium IceCube am Südpol hat zum ersten Mal extrem hochenergetische Neutrinos entdeckt, die mit großer Wahrscheinlichkeit von kosmischen Beschleunigern im Weltall stammen. "Nach mehr als einem Jahrzehnt intensiver Suche können wir vermelden, dass wir höchstwahrscheinlich Neutrinos, die in den Weiten des Weltalls erzeugt wurden, gefunden haben", erklärt Univ.-Prof. Dr. Lutz Köpke von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU). Neutrinos sind elektrisch neutrale, nahezu masselose Teilchen. Es wird vermutet, dass hochenergetische Neutrinos beispielsweise in der Umgebung von schwarzen Löchern entstehen und dort ihre hohen Energien erhalten. Sie können fast ungehindert durch den Weltraum wandern, sind allerdings sehr schwer aufzuspüren. Das IceCube-Experiment hat nun 28 Neutrinos mit Energien größer als 50 Teraelektronenvolt (TeV) gefunden, die zwischen Mai 2010 und Mai 2012 im antarktischen Eis aufgetroffen sind. "Diese Entdeckung war eines der wichtigsten Ziele des IceCube-Experiments. Es ist großartig und zugleich erleichternd, dass dieser Meilenstein nun erreicht wurde", erläutert Köpke, der seit über 13 Jahren an der Suche nach astrophysikalischen Neutrinos beteiligt ist und die entscheidende Analyse als interner Gutachter über mehrere Monate begleitet hat.

Zwar wurden bereits im Jahr 1987 wenige Neutrinos aus der Explosion einer Supernova in der großen Magellanschen Wolke entdeckt, allerdings waren deren Energien rund eine Million Mal geringer als die der jetzt gefundenen Teilchen. "Einige der nun nachgewiesenen Neutrinos tragen eine mehr als tausendfach höhere Energie als Neutrinos, die in Teilchenbeschleunigern auf der Erde erzeugt werden", so Köpke. "Nur ein Drittel der 28 hochenergetischen Neutrinos könnte auch durch kosmische Strahlung in der Erdatmosphäre entstanden sein."

Anders als Licht können Neutrinos ungehindert Weltraumstaub und selbst unsere Erde durchdringen. Neutrinos übermitteln dabei Informationen von weit entfernten Quellen, die mit IceCube – unabhängig davon, aus welcher Richtung sie kommen – nachgewiesen werden können. "Wir werden im nächsten Jahrzehnt weitere Daten sammeln, die uns mehr über den Ursprung der kosmischen Strahlung und über die Eigenarten der Neutrinos verraten sollten", ergänzt Köpke.

Milliarden von Neutrinos durchdringen jeden Quadratzentimeter auf der Erde. Die meisten entstehen in der Sonne oder in der Erdatmosphäre, die laufend mit kosmischer Strahlung bombardiert wird. Viel seltener stammen Neutrinos aus entfernten Regionen in- und außerhalb unserer Galaxie. Die Existenz dieser Neutrinos und die Vorgänge, die zu ihrer Entstehung in der Nähe von Supernovae, schwarzen Löchern, Pulsaren, aktiven Galaxien sowie weiteren extremen extragalaktischen Phänomenen führen, wurden in vielen wissenschaftlichen Arbeiten erörtert. Das IceCube-Observatorium wurde insbesondere entwickelt, um Häufigkeit und Art der vorhergesagten hochenergetischen Neutrinos sowie ihre Herkunft zu untersuchen.

Die jetzt in Science veröffentlichten Ergebnisse zeigen mit einer Signifikanz von mehr als vier Standardabweichungen, dass die beobachteten Neutrinos Eigenschaften besitzen, die stark auf einen Ursprung in kosmischen Beschleunigern hinweisen. "Die entscheidende Analyse wurde von einer cleveren Gruppe Postdoktoranden und Doktoranden an der University of Wisconsin in den USA durchgeführt, darunter auch zwei deutsche Wissenschaftler. Jetzt wird daran gearbeitet, die Sensitivität der Beobachtung zu verbessern und zu verstehen, was das Signal bedeutet und woher es kommt", erläutert Köpke.

Das IceCube-Neutrino-Observatorium am geographischen Südpol wurde im Dezember 2010 nach sieben Jahren Konstruktionszeit innerhalb des vorgesehenen Zeitrahmens und Budgets fertiggestellt. Finanziert wurde das Instrument hauptsächlich von der amerikanischen National Science Foundation (NSF), aber auch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) unterstützte mit erheblichen Mitteln das Experiment und wissenschaftliche Personal. Die Kollaboration umfasst 250 Physikerinnen und Physiker aus den USA, Deutschland, Schweden, Belgien, der Schweiz, Japan, Kanada, Neuseeland, Australien, Großbritannien und Korea. Die Arbeitsgruppe um Univ.-Prof. Dr. Lutz Köpke ist Teil des Exzellenzclusters "Precision Physics, Fundamental Interactions and Structure of Matter" (PRISMA) der Johannes Gutenberg-Universität Mainz.