Experten diskutieren an der JGU Beschleunigerprojekt MESA

Thema: Geplante teilchenphysikalische Experimente zur Suche nach Dunklem Sektor des Universums und zur Messung des Weinbergwinkels

19.05.2011

Am 19. und 20. Mai findet am Institut für Kernphysik der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) ein Workshop statt, bei dem sich Mainzer Wissenschaftler mit Experten aus den USA, Kanada, Großbritannien, Italien und Deutschland treffen, um innovative teilchenphysikalische Experimente in Mainz zu diskutieren. Dabei wird neben Messungen am MAMI-Beschleuniger auch das Projekt MESA diskutiert, das von Beschleunigerphysikern aus Mainz vorgeschlagen wurde.

Bei MESA (Mainz Energy Recovering Superconducting Accelerator) handelt es sich um einen geplanten Beschleuniger, der Elektronen auf eine Energie von ca. 140 Mega-Elektronenvolt (MeV) bringen wird. MESA macht sich dabei ein neues Beschleunigerkonzept zunutze, das auf der Rückgewinnung der Strahlenergie beruht. So wird es mit MESA möglich sein, eine etwa sechsmal größere Strahlleistung als im bestehenden Beschleuniger MAMI bei nur einem Drittel des Energieverbrauchs zur Verfügung zu stellen. Dieses Prinzip ist besonders für die Suche nach extrem seltenen Teilchen vorteilhaft und öffnet die Tür für innovative Niederenergie-Präzisionsexperimente, die bisher weltweit unzugänglich waren.

Präzisionstests des Standardmodells der Teilchenphysik

Eines der Hauptziele der Experimente bei MESA ist die Suche nach einer Physik jenseits des Standardmodells der Teilchenphysik – eine der größten Herausforderungen der internationalen Wissenschaftlergemeinschaft überhaupt. Obwohl in einer Unzahl von Experimenten getestet, gibt es bisher nur sehr wenige experimentelle Hinweise auf Abweichungen von theoretischen Standardmodellvorhersagen. Während der LHC in Genf bei den allerhöchsten Beschleunigerenergien nach einer sogenannten "Neuen Physik" sucht, die für solche Abweichungen verantwortlich sein könnte, wollen die Mainzer Physiker mit MESA einen alternativen – und um viele Größenordnungen kostengünstigeren – Weg gehen, nämlich mit Hilfe von Präzisionsexperimenten bei niedrigen Energien.

Dabei ist ein Vergleich von Hochenergie-Daten am LHC und von Präzisionsexperimenten bei niedrigen Energien besonders vielversprechend, da nur so die Natur von neuen Teilchen jenseits des Standardmodells verstanden werden kann, nach denen z.B. am LHC gesucht wird.

Im Rahmen eines in Vorbereitung befindlichen Sonderforschungsbereichs an der JGU ist insbesondere eine neue Messung des elektroschwachen Weinbergwinkels mit bisher unerreichter Präzision vorgesehen. Hier kann die jahrelange Mainzer Expertise im Bereich paritätsverletzender Streuexperimente bei MAMI auf eine vollkommen neue Fragestellung angewandt werden. Mit MESA würden sich dann mittelfristig noch deutlich bessere Experimentierbedingungen als bei MAMI ergeben.

Die Suche nach dem Dunklen Sektor des Universums

Die Mainzer Wissenschaftler wollen außerdem die zurzeit heiß diskutierte Hypothese des "Dunklen Photons" testen. Auch hierbei handelt es sich um eine mögliche Erweiterung des Standardmodells. Dieses hypothetische Teilchen wäre eine Art schwerer Partner des "normalen" Photons, also des Austauschteilchens der wohlbekannten elektromagnetischen Kraft. Das Interesse an einem solchen Dunklen Photon ist u.a. deswegen so groß, weil amerikanische und kanadische Physiker im Jahre 2009 zeigen konnten, dass im Falle seiner Existenz eine Reihe von Ungereimtheiten des Standardmodells quasi auf einen Schlag gelöst würden. Insbesondere wird angenommen, dass das Dunkle Photon in Wechselwirkung sowohl mit normaler Materie (z.B. den Elektronen eines Teilchenbeschleunigers), aber auch mit der mysteriösen Dunklen Materie tritt. Letztere beschäftigt die Wissenschaftlergemeinde schon seit Langem, da kosmologische und astrophysikalische Beobachtungen konsistent zeigen, dass die bekannte Materie unserer Alltagswelt nur etwa 4% der gesamten Masse des Universums ausmacht.

Physiker aus Mainz spielen mit dem MAMI-Beschleuniger bereits jetzt eine führende Rolle bei der Suche nach dem Dunklen Photon. So konnte kürzlich ein erstes Ergebnis einer ursprünglich als Test geplanten nur viertätigen Messkampagne zur Veröffentlichung eingereicht werden. Es wurde gezeigt, dass mit MAMI und dem A1-Detektorsystem beste Experimentierbedingungen vorliegen. Mit dem MESA-Beschleuniger könnte die Sensitivität für die Dark-Photon-Suche noch deutlich ausgedehnt werden.

Die Suche nach dem Dunklen Sektor des Universums ist mittlerweile so attraktiv, dass führende Labors der Kern- und Teilchenphysik in den USA (JLAB), Deutschland (DESY-Hamburg), Italien (Frascati) und anderswo Experimente zu dieser spannenden Fragestellung planen bzw. vorbereiten.