Tropische Zyklonen

Arbeitsgruppe

Dr. Michael Riemer

Elisa Spreitzer

Tropische Wirbelstürme in vertikaler Scherung

Motivation

Tropische Wirbelstürme gehören weltweit zu den bedrohlichsten Wettersystemen. Angesichts der potenziell verheerenden Folgen dieser Stürme spielt die Vorhersage ihrer Entstehung, Zugbahn und Stärke eine wichtige Rolle, um möglichst frühzeitig angemessene Schutzmaßnahmen ergreifen zu können. Während die Vorhersage der Zugbahn in den letzten 10-20 Jahren bedeutende Verbesserungen erfahren hat, sind Vorhersagen zur Entstehung und Sturmstärke immer noch mit großen Unsicherheiten belastet.

Prozesse

Ein wichtiger Prozess, der maßgeblichen Einfluss auf die Entwicklung der Sturmstärke hat, ist die Wechselwirkung des Sturms mit der großräumigen Umgebungsströmung. Insbesondere eine Umgebung, in der die Strömung eine vertikale Scherung aufweist, kann zu einer starken Abschwächung des Sturms führen. Die dynamischen und thermodynamischen Prozesse, die diese Wechselwirkung steuern, sind jedoch noch nicht gut verstanden. Ein Erklärungsansatz ist, dass die vertikale Scherung begünstigt, dass trockenere, kühlere Umgebungsluft in die Konvektion der Augenwand gelangen kann. Frühere Denkmodelle gingen davon aus, dass ein Einmischen der Umgebungsluft oberhalb der Grenzschicht stattfindet. In idealisierten, numerischen Experimenten konnten wir hingegen zeigen, dass die Wechselwirkung mit vertikaler Scherung einen bedeutenden Einfluss auf die thermodynamischen Eigenschaften der Luft innerhalb der Grenzschicht hat (Riemer et al. 2010, 2013, hier: Abb. 1). Durch die Verringerung der äquivalent potentiellen Temperatur der Grenzschicht kann die Konvektion in der Augenwand nicht mehr so hoch aufsteigen und der Sturm verliert an Stärke: er wird also von unten, durch die Grenzschicht, abgeschwächt.

Oberhalb der Grenzschicht bewirkt die vertikale Scherung eine Umverteilung der Luftmassen um das Sturmzentrum herum. Insbesondere kommt es zu einer Verformung der Schutzhülle aus feuchter Luft, die das Sturminnere umgibt und den Sturm von der Umgebung abgrenzt (Riemer und Montgomery, 2012, hier Abb. 2). Diese Verformung ist nötig, damit Niederschlag aus der Konvektion des Wirbelsturms in die trockene Umgebungsluft fallen kann und es zu ausgeprägten Abwinden kommen kann, die dann die äquivalent-potentielle Temperatur der Grenzschicht verringern (Abb. 3 (aus Riemer 2012)). Wir untersuchen weiterhin den Einfluss der vertikaler Scherung auf die Dynamik und Thermodynamik von Wirbelstürmen in idealisierten numerischen Experimenten. Der Fokus liegt auf einer Lagrange’schen Beschreibung der Strömung im gescherten Sturm und auf dem Einfluss von transienten Wirbel-Rossbywellen auf das Einmischen von trockener Umgebungsluft in die Konvektion der Augenwand und in die Grenzschicht. Die Hoffnung ist, dass ein verbessertes Prozessverständnis mittelfristig zu verbesserten Vorhersagen führt.

Quellen

Riemer, M., M. T. Montgomery, und M. A. Nicholls, 2010: A new paradigm for intensity modification of tropical cyclones: Thermodynamic impact of vertical wind shear on the inflow layer, Atmos. Chem. Phys, 10, 3163-3188, www.atmos-chem-phys.net/10/3163/

Riemer, M., und M.T. Montgomery, 2011: Simple kinematic models for the environmental interaction of tropical cyclones in vertical wind shear, Atmos. Chem. Phys., 11, 9395-9414, www.atmos-chem-phys.net/11/9395/

Riemer M., 2012: Bedrohliche Wirbel, Physik in unserer Zeit, 5, 220-228

Riemer, M., M. T. Montgomery, und M. A. Nicholls, 2013: Further examination of the thermodynamic modification of the inflow layer of tropical cyclones by vertical wind shear, Atmos. Chem. Phys., 13, 327-346, www.atmos-chem-phys.net/13/327/


Abbildung 1: Thermodynamischer Einfluss der vertikalen Scherung auf die äquivalent-potentielle Temperatur (farbig) in der Grenzschicht. (Abb. (7c) aus Riemer et al. 2010). Die durchgezogene, dicke, zusammenhängende Kontur in der Mitte der Abbildung zeigt die ungefähre Lage der Augenwand an.

Abbildung 2: Verformung der Schutzhülle des tropischen Wirbelsturms direkt oberhalb der Grenzschicht (2 km Höhe). Farbig ist die äquivalent-potentielle Temperatur dargestellt. Die dicke Konturlinie deutet die Lage der Augenwand an. Die dünne Linie zeigt die stabile Mannigfaltigkeit der kombinierten Wirbel-Umgebungs-Strömung, die in einer geschlossenen Stromlinie endet. Diese Stromlinie zeigt an, dass die Augenwand selbst nicht direkt von der Umgebungsluft beeinflusst wird (Abb. (4a) aus Riemer und Montgomery (2012), siehe genauere Beschreibung dort).

Abbildung 3: Schemazeichnung zum Zusammenhang der Neigung des Wirbels und der Verformung der Schutzhülle (oben) sowie der Entstehung von Konvektion außerhalb der Augenwand, die Bildung von Abwinden sowie dem thermodynamischen Einfluss auf die Grenzschicht (unten, Abb. 6 aus Riemer (2012), siehe detaillierte Beschreibung dort).