Forschungsschwerpunkt

Dynamik und Zirren

Wolken sind eine der am wenigsten gut verstandenen Komponenten im System Erde-Atmosphäre, die durch die Unsicherheit hinsichtlich ihrer Strahlungswirksamkeit zuverlässige Klimaprojektionen erschweren. Insbesondere der Netto-Strahlungseffekt von Zirren (d.h. hohe Wolken, ausschliesslich bestehend aus Eiskristallen) auf das Energiebudget der Erde ist weitgehend unbekannt, auch wenn für dünne Zirren oftmals ein wärmender Effekt angenommen. Für bessere Abschätzungen des Strahlungseffektes müssten die (makroskopische) Struktur, die mikrophysikalischen Eigenschaften und die Lebenszyklen der Zirren besser bekannt sein.

Der Forschungsschwerpunkt der Arbeitsgruppe liegt in der Untersuchung der Wechselwirkung zwischen Dynamik auf verschiedenen Skalen und dem Lebenszyklus von Zirren und deren potentiellen Bildungsregionen, den sogenannten eisübersättigten Regionen (ice-supersaturated regions, ISSRs). Dabei sind wir vor allem an der Strukturbildung innerhalb der Zirren interessiert, die durch ein Zusammenspiel von Dynamik und Thermodynamik auf unterschiedlichen Skalen entsteht. Zusätzlich wird der Einfluss von Aerosolen auf die Bildung und Entwicklung von Zirren untersucht.

Kalte Zirren (im Temperatur-RegimeT<235K) werden bei hohen Eisübersättigungen gebildet (bis zu 40-60%). Die Existenz dieser hohen Übersättigungen wurde mit verschiedensten Messinstrumenten verifiziert und auch durch theoretische Überlegungen bestätigt. Der dominante Bildungsmechanismus von Eiskristallen in dem kalten Temperaturregime ist das homogenes Gefrieren von unterkühlten Lösungströpfchen. Die dabei erzeugten Eiskristallanzahldichten sind dabei sehr stark von der lokaler Dynamik abhängig. Dadurch werden adiabatische Änderungen und damit Temperaturänderungen induziert, die daraufhin die mikrophysikalischen (bzw. thermodynamischen) Prozesse in den Eiswolken steuern (z.B. das Wachstum der Kristalle). Im Unterschied zu Wolken, die ausschliesslich aus Wassertröpfchen bestehen, sind durch die besondere Beschaffenheit der Eisprozesse die Zirren praktisch nie im thermodynamischen Gleichgewicht, was eine weitere Schwierigkeit in der Untersuchung darstellt.

Die lokale Dynamik wird durch eine Überlagerung von dynamischen Prozessen auf unterschiedlichen Skalen angetrieben; diese Prozesse reichen von kleinskaliger Turbulenz über Schwerewellen und Trägheitsschwerewellen bis zu großskaliger Dynamik (z.B. Lebenszyklen der Rossbywellen). Die Schwierigkeit dabei besteht, die für Eisphysik und die Lebenszyklen der Zirren dominanten Prozesse auf den jeweiligen Skalen zu bestimmen.

Andererseits gibt es Anzeichen dafür, dass Zirren selbst einen Einfluss auf die (lokale) Dynamik in der Tropopausenregion ausüben. So kann zum Beispiel durch das Freisetzen von latenter Wärme während des Wachstums der Eiskristalle flache Konvektion in den übersättigten Schichten induziert werden.

Diese Wechselwirkungen von Dynamik und thermodynamischen Prozessen sind oftmals mit einer Strukturbildung innerhalb der Eiswolken verbunden, die nicht wirklich verstanden ist, die aber im Sinne von makroskopischen Inhomogeneitäten die Strahlungseigenschaften der Zirren beeinflußt.

Ausgehend von diesem Hintergrund ergeben sich wissenschaftlichen Fragestellungen, die das Forschungsthema der Arbeitsgruppe umreissen:

  • Was sind mögliche Wechselwirkungen zwischen der Dynamik auf unterschiedlichen Skalen und Zirren in der Tropopausenregion? Wie können Aerosole diese modifizieren?
  • Wie wechselwirken Bewegungen und Prozesse auf verschiedenen Skalen? Was sind die dominanten Prozesse für unterschiedliche Umgebungsbedingungen, die die Lebenszyklen von Zirren und ISSRs und die Strukturbildung in den Wolken beeinflussen?
  • Wie kann der Netto-Effekt dieser Wechselwirkungen und Strukturen besser in groß-skaligen Modellen parametrisiert werden?

Zur Bearbeitung dieser Fragestellungen werden in der Arbeitsgruppe unterschiedliche Werkzeuge benutzt. Zum einen stehen Modelle von unterschiedlicher Komplexität zur Verfügung (Boxmodelle sowie Large Eddy Simulation Modelle in zwei und drei Dimensionen). Zum anderen werden rein theoretische Methoden (wie zum Beispiel Multiskalenasymptotik oder Techniken aus der Theorie der dynamischen Systeme) zur Untersuchung der komplexen Strukturen und Wechselwirkungen benutzt. Ausserdem werden vorhandene Daten (wie zum Beispiel Messungen oder meteorologische Analyse) mit Hilfe von (z.T. komplexen) statistischen Methoden untersucht und mit theoretischen Ansätzen kombiniert.

(Stand: 13.12.2012)