DFG-Projekt: Die Assyrisierung Anatoliens

 

Der archäologische Kenntnisstand zum südöstlichen Anatolien hat in Folge reger internationaler Forschung im Zuge der türkischen Staudammprojekte am Tigris in den vergangenen fünfzehn Jahren erheblich zugenommen. Eine der wesentlichen Erkenntnisse ist, wie stark dieses fruchtbare Gebiet im späten 2. und frühen 1. Jt. v. Chr., in der mittel- und neuassyrischen Epoche, von Assyrien dominiert wurde.

Ziel des Projektes ist die Erfassung, Bewertung und der Vergleich des assyrischen Einflusses auf Südost-Anatolien während dieser zwei expansiven Phasen. Wirtschaftliche und politische Interessen haben in jener Zeit einen direkten Niederschlag in der Gründung assyrischer Städte am Tigris sowie in einer zunehmend an Assyrien ausgerichteten materiellen Kultur der ansässigen Bevölkerung gefunden.

Die Förderung durch den Forschungsfonds der Johannes Gutenberg-Universität Mainz 2007 und 2008 sowie durch das Institut für Ägyptologie und Altorientalistik der Johannes Gutenberg-Universität Mainz im Jahr 2009 erlaubte eine aktive Grabungsbeteiligung mit einem mehrköpfigen Team am Ziyaret Tepe Archeological Project unter Leitung von Dr. T. Matney (University of Akron, Ohio) im Bereich eines neuassyrischen Gebäudes aus dem 9.-7. Jh. v. Chr. in der Oberstadt von Ziyaret Tepe / Tušḫan (Areal A/N). Dabei konnte die zuvor unsichere architektonische Situation geklärt und die Anlage eines neuassyrischen Verwaltungsgebäudes mit charakteristischen Befunden (Wandmalereien, architektonischen Installationen) erkannt werden. Im Mittelpunkt des Interesses steht dabei die Aufdeckung von fünf Brandgrubengräbern mit quantitativ und qualitativ außergewöhnlich reichen Beigaben, vor allem an Elfenbein und Bronzen. Neben der Interpretation des Befundes steht die Aufarbeitung dieser beiden Materialgruppen im Vordergrund.

Um dieses Phänomen kulturellen Kontaktes, die gewählten Strategien der assyrischen Expansion und ihre Auswirkungen möglichst umfassend bewerten zu können, verfolgt das Projekt neben einer archäologischen Erforschung der assyrischen Provinzhauptstadt Tušḫan, dem heutigen Ziyaret Tepe, als Fallbeispiel auch die Untersuchung ihres Hinterlandes. Die Auswertung historischer und archäologischer Quellen sowie die Prüfung und Anwendung bestehender oder gegebenenfalls die Entwicklung neuer Interpretationsmodelle stellen die Hauptaufgaben für dieses ebenso interdisziplinär wie international ausgerichtete Projekt dar.

Projektleiter: Dirk Wicke

Publikationshinweise:

D. Wicke, Ausgewählte Elfenbein- und Knochenfunde aus Ziyaret Tepe, Altorientalische Forschungen 35, 2008, 348–358.

T. Matney – L. Rainville – K. Köroğlu – D. Wicke – J. Macginnis, Tenth preliminary report in excavations at Ziyaret Tepe (Diyarbakır province), 2007 seasons, 30 Kazı Sonuçları Toplantatısı 1.Cilt, 2008, 207-250.

D. Wicke, Ziyaret Tepe / Tushan. Eine assyrische Provinzstadt in der Osttürkei. Welt und Umwelt der Bibel, 2/2009, 68–69.

D. Wicke, Operation A/N (The „Bronze Palace“), in: T. Matney u. a., Excavations at Ziyaret Tepe 2007-2008, Anatolica 35, 2009, 38–49.

D. Wicke, Operation A/N (The „Bronze Palace“), Seasons 2009-2010, in: T. Matney u. a., Excavations at Ziyaret Tepe 2009-2010, Anatolica 37 in Vorbereitung.