Ulla Schild (1938–1998)

Foto: © Janheinz Jahn-Archiv, HU Berlin

 

Ulla Schild als erste Leiterin der Jahn-Bibliothek

1975 wurde Ulla Schild Kustodin bzw. die erste Leiterin der damals unter dem Namen "Janheinz Jahn-Bibliothek für moderne afrikanische Literatur" gerade neu eingerichteten Bibliothek, deren Ankauf sie selbst dem damaligen Institut für Ethnologie bzw. ihrem Mentor Prof. E.W. Müller vorgeschlagen hatte. Unter der Leitung von Ulla Schild entwickelte sich die Jahn-Bibliothek bis zu ihrem Tod im Februar 1998 zu einer international bekannten Forschungseinrichtung.

Ulla Schild und afrikanische Literatur

Ulla Schild wurde am 17. November 1938 in Berlin geboren und verbrachte ihre Kindheit überwiegend in Straßburg (Elsass) bzw. nach Kriegsende in Oberkirch (Schwarzwald). 1951 zog sie mit ihren Eltern nach Karlsruhe, wo sie 1957 das Abitur ablegte. 1958 nahm sie an der Universität Heidelberg zunächst ein Studium der Germanistik und Anglistik auf, hörte nebenbei Afrika-bezogene Vorlesungen und schrieb sich schließlich, nach zehn Semestern, für ein Studium der Ethnologie ein, wobei sie sich auf "moderne afrikanische Literatur" spezialisierte (Schild 1981).

Ulla Schild und Janheinz Jahn

In Heidelberg lernte Ulla Schild Mitte der 1960er Jahre schließlich Janheinz Jahn kennen, der sie mit seiner Begeisterung für "neo-afrikanische" Literatur ansteckte. Diese Begegnung wurde "für ihren weiteren Lebensweg bestimmend" (Riesz 1999: 306) und bewog sie ab 1968, als freiberufliche Journalistin über (neo-)afrikanische Literaturen zu schreiben – im Laufe ihres Lebens über 100 Zeitungsartikel und Rezensionen (Czernik und Olivares Canas 1999). Als Mitarbeiterin und Partnerin von Janheinz Jahn arbeitete Ulla Schild eng mit diesem zusammen und gab, z.B., gemeinsam mit diesem und Almut Nordmann 1972 das Who's Who in African Literature heraus.

1972 schloss Ulla Schild ihr Magister-Studium der Ethnologie in Heidelberg ab.

Ankauf von Jahns privater Sammlung und Gründung der damaligen "Janheinz Jahn-Bibliothek für moderne afrikanische Literatur"

Nach Jahns Tod im Oktober 1973 schlug Ulla Schild Ernst Wilhelm Müller, Professor am damaligen Institut für Ethnologie der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, den Erwerb von Jahns privater Bibliothek vor. Tatsächlich bekam das Institut schließlich den Zuschlag für den Ankauf der Bibliothek: Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) bewilligte diesen im Dezember 1974 und finanzierte den Ankauf aus Sondermitteln des Stifterverbandes für die Deutsche Wirtschaft. Ausschlaggebend dafür war die Tatsache, dass es am Institut für Ethnologie der Mainzer Universität seit 1972 eine Professur für afrikanische Philologie gab, was im Hinblick auf die sprachübergreifende Ausrichtung von Jahns Sammlung als wichtige Voraussetzung für deren Fortführung und Pflege angesehen wurde. 1975 wurde die "Janheinz Jahn-Bibliothek für moderne afrikanische Literatur" am damaligen Institut für Ethnologie eingerichtet. Ulla Schild selbst wurde, auf einer eigens zur Betreuung der Sammlung eingerichteten Stelle, Mitarbeiterin am Institut für Ethnologie.

Ulla Schilds Wirken

1980 promovierte Ulla Schild bei E.W. Müller am Institut für Ethnologie und Afrika-Studien, wie dieses inzwischen hieß, der Johannes Gutenberg Universität Mainz mit einer Dissertation zum Thema "Literaturen in Papua Neu-Guinea". Ein relativ kleiner Bestand an Literatur aus Ozeanien (einschließlich relevanter Sekundärliteratur) reflektiert dieses Forschungsinteresse von Ulla Schild bis heute.

Anna-Maria Brandstetter, ehemalige Studentin und langjährige Kollegin von Ulla Schild und bis heute Mitarbeiterin am heutigen Institut für Ethnologie und Afrikastudien, hat Ulla Schilds Leistung in einem Nachruf mit folgenden Worten gewürdigt:

Under her administration, the Janheinz Jahn Library developed into a well-known international research institution which hosted many DAAD and Humboldt fellows primarily from Africa. She intensely took care of their needs and scholarly work and generously and freely fostered their future scientific careers. Over the years, the International Janheinz Jahn Symposia that she organized became an appreciated platform for scholars of various fields, literati, and artists alike who readily joined her for a triennial mutual exchange in an uninterrupted flow of ideas all focussed on African literature and culture. It is fair to say that this way Ulla Schild achieved a lot for the international visibility of her University at Mainz, the town of Gutenberg where modern printing was invented, the condition for the spreadout of literature. ... [S]tudents especially valued her teaching. She had the gift to stir immediate interest for African literature with students of both social anthropology and the comparative literatures. (Brandstetter 1998b)

 

János Riesz, langjähriger Inhaber des Lehrstuhls für Romanische Literaturwissenschaft und Komparatistik mit besonderer Berücksichtigung der afrikanischen Literatur an der Universität Bayreuth, betonte, ebenfalls in einem Nachruf:

Gerade in der schwierigen Phase nach dem Tode Janheinz Jahns kommt Ulla Schild das Verdienst zu, das Interesse an afrikanischer Literatur wach und lebendig gehalten zu haben: durch die Initiative zur Herausgabe von Sammelbänden, Sondernummern von Zeitschriften, Kongreßakten, Arbeiten von Senegal bis Südafrika, von Nigeria bis Kenia, und über Afrika hinaus von Madagaskar bis Papua-Neuguinea. Und stets war sie dabei nicht nur um wissenschaftlichen Fortschritt, um Mehrung des Wissensstandes über Afrikas Literatur bemüht, sondern auch um Vermittlung" (Riesz 1999: 307).

 

Ulla Schild starb, nach schwerer Krankheit, am 22. Februar 1998 in Mainz. In den Worten von János Riesz: "Ulla Schild wird in der Erinnerung vieler jeweils in anderer Weise weiterleben, jeder wird anderes von ihr erinnern, andere Worte, andere Geschichten zu erzählen und zu berichten wissen" (Riesz 1999: 306).

Literaturhinweise

Brandstetter, Anna-Maria, 1998a: "Dr. Ulla Schild". Nachruf auf Ulla Schild. JOGU 160 (April 1998), 31.

Brandstetter, Anna-Maria, 1998b: "Character is beauty". Nachruf auf Ulla Schild. ALA Bulletin 24, 2, 43-44.

Czernik, Godehard und Carolin Olivares Canas, 1999: "Schriftenverzeichnis Ulla Schild". Paideuma 45, 311-326.

Jahn, Janheinz, Ulla Schild und Almut Nordmann, 1972: Who's Who in African Literature. Biographies, Works, Commentaries. Tübingen: Erdmann.

Müller, Ernst Wilhelm, 2006: "Reminiszenzen eines Betroffenen". In: Anna-Maria Brandstetter und Carola Lentz (Hg.): 60 Jahre Institut für Ethnologie und Afrikastudien. Ein Geburtstagsbuch. (Mainzer Beiträge zur Afrikaforschung, 14). Köln: Rüdiger Köppe, 63-85.

Riesz, János, 1999: "Ulla Schild (1938-1998)". Nachruf auf Ulla Schild. Paideuma 45, 305-310.

Schild, Ulla, 1981: Literaturen in Papua-Neuguinea. (Mainzer Ethnologische Arbeiten, 3) Berlin: Dietrich Reimer.

© Anja Oed

Wir danken dem Janheinz Jahn-Archiv Berlin herzlich für die freundliche Kooperation und für die Erlaubnis, das obige Foto von Ulla Schild (in der Bilderleiste ganz rechts) und das Foto von Ulla Schild und Janheinz Jahn (großes Foto ganz rechts) auf dieser Seite verwenden zu dürfen.