Liturgische Musik als Ort der Emanzipierung afrikanischer Nonnen?

Kora und Emanzipation in weltlicher und liturgischer Musik

Die ersten Mönche, die das Kloster von Keur Moussa 1963 im Senegal gegründet haben, kamen aus dem französischen Kloster Solesmes, das sich durch die Tradition des gregorianischen Gesangs auszeichnete. Im Sinne des II. Vatikanischen Konzils haben die benediktinischen Mönche versucht, die Musik an die afrikanischen Gegebenheiten anzupassen und die Kora als liturgisches Instrument eingeführt. Aus dem westafrikanischen Instrument der Griots, das in erster Linie von Männern bestimmter Musikerfamilien erlernt werden konnte, wurde in den Händen der Mönche von Keur Moussa, nach langjährigen Experimenten, ein international gespieltes Instrument, das Männern wie Frauen zu Verfügung steht und heute sowohl für weltliche als auch für liturgische Musik in ganz Westafrika genutzt wird. Aus dem Instrument der Mandingo wurde ein Instrument mit chromatischer Tonleiter, das in Keur Moussa hergestellt und weltweit verkauft wird.

Es geht uns in diesem Forschungsprojekt darum zu untersuchen, inwiefern die Suche nach Akkulturation an den afrikanischen Kontext dazu beigetragen hat, die Liturgie zu „feminisieren“, indem Frauen die Möglichkeit eröffnet wurde, sich dieses von Männern gespielte Instrument anzueignen und die vornehmlich von Männern gesungene gregorianischen Musik zu besetzen. Zudem soll untersucht werden, wie das Instrument der Kora über die Welt der Klöster hinaus bekannt gemacht wurde. Wir wollen der Frage nachgehen, ob insbesondere afrikanischen (Ordens-) Frauen im Zuge der Akkulturationsbemühungen, sozusagen als Nebeneffekt, die Möglichkeit verschafft wurde, an liturgischer Musik mitzuwirken, obwohl die Liturgie in der katholischen Kirche in erster Linie von Männern produziert wird. Des Weiteren stellt sich die Frage nach der Natur der Zusammenarbeit von männlichen und weiblichen Klöstern in Bezug auf die Vermarktung der CDs und DVDs ihrer Gesänge.

Diesen beiden Forschungsfragen - nach der Feminisierung der Liturgie, der Erschließung der Koramusik und des gregorianischen Gesanges für Frauen, sowie der Zusammenarbeit von Männer- und Frauenklöstern in Bezug auf die Vermarktung der liturgischen Musik - sind wir während der ersten Forschungsphase nachgegangen. Während der 2. Forschungsphase möchten wir diese Fragestellungen vertiefen, sowie einen weiteren Fragenkomplex im Prozess der Feminisierung ausführlicher bearbeiten: Inwiefern hat die Eröffnung des Koraspiels für Frauen durch das Kloster Keur Moussa auch dazu beigetragen, weltlichen Frauen dieses Instrument zugänglicher zu machen, oder hat umgekehrt das rezente Auftreten weiblicher Koraspielerinnen im Globalen Norden Einfluss auf die Nonnen in Afrika?


Fotografie © K. Langewiesche 2018