Doing being parent

Elternschaft in Côte d’Ivoire als performative Praxis

Was ist ein guter Elter? Was kennzeichnet ein glückliches Kinderleben? Welche Verantwortungen haben Eltern und an wen richten sie sich in Krisensituationen? Ob für Anhänger von pfingstkirchlichen Gemeinden und muslimischen Reformbewegungen oder für aufstrebende Mittelklasse- und Bildungsbürger-Familien, Kinderhaben und Elternsein scheint eine wichtige Rolle bei der performativen Herstellung von Zugehörigkeit zu spielen. Elternschaft, so die Arbeitshypothese des Projekts, ist weder universell noch kulturell determiniert, sondern ein kontingentes Bündel von Praktiken, die sich ethnographisch erforschen lassen. Das Projekt fragt zum Einen, wie parenting (Praktiken und Normen der Elternschaft umfassend) lokal konzipiert und ausgehandelt wird und wie sich Akteure in einem Umfeld mit teils widersprüchlichen Normen und Praktiken guter Elternschaft bewegen und Elternschaft als Identitätsarbeit betreiben. Zum anderen will es untersuchen, welche Rolle dabei translokale und globale Diskurse sowohl in populären Medien wie in staatlichen und zivilgesellschaftlichen Politiken (etwa im Hinblick auf spezifische Kinderrechte). Kinder großzuziehen ist mehr als die Summe der dafür notwendigen Funktionen (Nahrung, Obdach, Kleidung, Zuwendung) und auch mehr als ein bloßer Ausdruck kultureller Vorstellungen von Verwandtschaft und Familienbeziehungen. Zur Elternschaft bzw. dem „doing being parent“ gehören neben „Vater“ und „Mutter“ eine Reihe weiterer Akteure, sowohl andere pflegende und erziehende „Laien“ (wie etwa in sozialer Elternschaft und/oder Kindspflegschaft, die in Westafrika weit verbreitet ist) als auch professionelles Personal (Hebammen, Erziehungsberater, NGOs für das Kindeswohl usw.). Die weite Verbreitung von Sensibilisierungskampagnen zur richtigen Ernährung, die Einrichtung von Zentren zur frühkindlichen Entwicklung und das Auftreten immer neuer Philosophien und Experten der Kindererziehung zeigen, dass elterliche Praxis als kausal mit der Entwicklung des Kindes verknüpft vorgestellt wird. „Das Kind“ ist dabei aber nicht nur Adressat des performativen Projekts der Eltern und weiterer Akteure; es ist selbst, wie die neuere Forschung zu einer Anthropologie der Kindheit postuliert, ein Akteur des performativen parenting. Durch das, was ein Kind tut oder unterlässt, werden die Praktiken des parenting in actu als erfolgreich und gut oder eben nicht interpretiert. Eltern und Kinder, Hebammen, Erzieherinnen, Tanten, Onkel, Lehrer, Großeltern, Jugendamtsmitarbeiter und nicht zuletzt die Ethnologin sind dabei jeweils sowohl Zuschauer als auch Akteure dieser Aufführung von guter Elternschaft.

Das Forschungsprojekt zu Elternschaft als performativer Praxis greift praxisorientierte Ansätze der Sozialethnologie auf und verknüpft sie mit Ansätzen der memory studies, der Aufführungsanalyse, der Anthropologie des Staats und des Normenpluralismus. Methodisch begreift das Projekt Feldforschung als Ko-Performance, die Erkenntnisse auch und gerade aus der kritischen und selbst-reflexiven Auseinandersetzung mit dem eigenen „doing being mother“ zieht.