Kontemplation und Gesellschaftsengagement. Westafrikanische Klöster, transnationale Netzwerke und alternative Ökonomien

Die ethnologische Forschung zum Christentum in Afrika hat das monastische Leben weitgehend vernachlässigt. Das beantragte Projekt möchte die Aufmerksamkeit darauf lenken, dass Klosterforschung nicht nur wenig bekannte Aspekte des Christentums in Afrika erhellt, sondern auch einen wichtigen Beitrag zum Verständnis der Prozesse des sozialen Wandels und zu Globalisierungsdebatten in afrikanischen Gesellschaften zu leisten vermag.

Im Kern des Forschungsvorhabens steht ein Paradox: Die kontemplativen Orden streben ein Leben fern der gesellschaftlichen Normalität an, doch um als Gemeinschaft materiell überleben zu können, entwickeln sie erfolgreich alternative Wirtschaftsformen, interagieren mit ihrer Umwelt und bauen transnationale Netzwerke auf bzw. integrieren sich in sie. Auf diese Wechselwirkungen zielt das Projekt. Es geht um Studien zu Klosternetzwerken, zur Klosterökonomie und zu sozialem Wandel in drei westafrikanischen Ländern: Burkina Faso, Ghana und Senegal. Diese Staaten wurden ausgewählt, weil sie ein breites Spektrum religiöser Landschaften aufweisen: unterschiedliche Formen des Islams, unterschiedliche Arten der Evangelisierung, unterschiedliche Verbreitung des Katholizismus und auch unterschiedliche Formen gesellschaftlicher Pluralität und staatlicher Toleranz. Diese länderübergreifende Analyse der Kongregationen sowie der sozialen und politischen Kontexte, in denen sie wirken, wird Einsichten in gesellschaftliche Prozesse freilegen, die bislang kaum beachtet worden sind, wie zum Beispiel neue Formen wirtschaftlichen Handelns.

Entgegen einer landläufigen Meinung, die Klöster als traditionsgebundene am Status Quo festhaltende Institutionen sieht, wird dieses Projekt ihre Interaktion mit der modernen Gesellschaft untersuchen. Christliche Institutionen gelten in Afrika seit langem als Verbreiter und Symbol der Moderne, wie z.B. Schulen oder Gesundheitseinrichtungen. Klöster als Orte einer modernen, wenn auch nicht kapitalistischen Form des Wirtschaftens wurden aber noch nicht beachtet. Zeitgenössische Klöster in Westafrika werden in diesem Projekt als Orte der Erprobung alternativer Wirtschaftsformen - gestützt auf religiöse Werte - untersucht. Können Klöster als Wirtschaftsformen verstanden werden, die afrikanischen Gesellschaften zumindest in gesellschaftlichen Teilbereichen eine Alternative zu einem anderen Modus der Entwicklung bieten? So die zusammenfassende Frage, der dieses ethnologische Projekt nachgehen möchte.

Foto: Carmelite Sisters in Tamale, borehole blessing 2012 ©Langewiesche