Aktuelle Lehrveranstaltungen Sommersemester 2019

Hauptseminar:

Philosophie der Narrativität: Paul Ricœur

Das Phänomen des Narrativen ist zentral für die Literaturwissenschaften. Auch in den Geschichtswissenschaften diskutierte man darüber, ob Narrativität eine adäquate Kategorie zur Bestimmung und Erfassung historischer Ereignisse sei. Damit verbunden ist die Frage, ob sich Handlungs- und Erfahrungszusammenhänge bereits im Leben selbst als narrativ strukturiert erweisen, oder ob es sich um eine bloß nachträglich dem Leben hinzugefügte Konstruktion handelt. Mittlerweile hat sich Narrativität auch in den Kulturwissenschaften sowie der Psychologie zu einem fruchtbaren Begriff entwickelt. Die Grundkategorien des Narrativen sind aber bereits in der aristotelischen Poetik zu finden, denn die im Sinne von Anfang – Mitte – Ende vorgenommene Bestimmung der Struktur der Tragödie trifft auf sämtliche Formen des Erzählbaren zu.

Eine Deutung des Menschen als narratives Wesen erfolgt erst durch Philosophen des 20. Jahrhunderts, die Erzählen und Geschichten als wesentliche Schlüssel zum Menschen definieren. Der Erste, der sich im Rahmen einer eigenen Geschichten-Hermeneutik um den Zusammenhang von Lebenswirklichkeit und Geschichten (im weitesten Sinne) bemüht und insbesondere in seinem Spätwerk den Weg zur Interpretation der narrativen Struktur des Menschen geebnet hat, ist Wilhelm Schapp (1884-1965). Paul Ricœur (1913-2005) schließlich gilt als Pionier der philosophischen Narratologie (in Abgrenzung zur literarischen Erzähltheorie). Die hermeneutische Phänomenologie Ricœurs zeichnet sich durch den Dialog mit angrenzenden Disziplinen aus: Neben Auseinandersetzungen mit der Psychoanalyse und dem Strukturalismus haben ihn vor allem Überlegungen zu Metapher und Erzählung sowie zu einer Hermeneutik des Subjekts bekannt gemacht.

Im Seminar ist es das Ziel, auf der Basis einer textnahen Diskussion zum einen die theoretischen Grundlagen fiktionaler Gebilde zu klären und darüber hinaus zum anderen die Frage zu beantworten, ob Erzählen und Narrativität als Spezifikum des menschlichen Wesens konstatiert werden kann.

Textgrundlage des Seminars:

Ricœur, Paul: Vom Text zur Person. Hermeneutische Aufsätze (1970–1999). Übers. und hrsg. von Peter Welsen. Hamburg: Meiner, 2005 [oder andere Auflage] (Philosophische Bibliothek; Bd. 570).

 

Proseminar (WPS):

Aristoteles: Nikomachische Ethik

Aristoteles (ca. 384-322/23 v. Chr.), der Schüler und gleichzeitig Kritiker Platons, war Philosoph und Universalgelehrter bzw. einer der bedeutendsten Naturforscher der Antike. Sein umfangreiches philosophisches Werk, in dem er Unterscheidungen und Begriffsprägungen vornimmt, die unser Denken bis heute formen, wurde zur Grundlage der abendländischen Philosophie.

Wer auch immer sich für eine Theorie moralischer bzw. humaner Praxis interessiert, findet in Aristoteles’ ethischem Hauptwerk, der Nikomachischen Ethik, eines der wenigen bis heute einschlägigen Grundmodelle. Im Mittelpunkt der ebenso nüchternen wie umsichtigen Analyse stehen u. a. die Begriffe „Glück“, „Tugend“, „Entscheidung“, „Klugheit“, „Unbeherrschtheit“, „Lust“ und „Freundschaft“. Die Aristotelischen Ausführungen sind keineswegs nur von historischem Interesse, sondern üben auch auf die ethische Debatte der Gegenwart entscheidenden Einfluss aus.

Im Seminar ist es daher das Ziel, auf der Basis einer textorientierten Diskussion sowohl die in der Nikomachischen Ethik aufgeworfenen Grundbegriffe und Grundfragen, als auch das Denken des Aristoteles generell kennenzulernen und dessen aktuelle Anschlussfähigkeit im Alltag kritisch zu hinterfragen. Zudem werden, wie dies für ein Wissenschaftspropädeutisches Proseminar charakteristisch ist, die grundlegenden Techniken wissenschaftlichen Arbeitens systematisch erlernt.

Die Textgrundlage des Seminars, weitere Literatur sowie der jeweils zu lesende Textabschnitt für die einzelnen Sitzungen werden im Seminar genannt.

 

Weiterführende Links

 

Kontakt

Praktische Philosophie

Dr. Eva-Maria Heinze
Philosophisches Seminar
Johannes-Gutenberg Universität
55099 Mainz
Tel.: +49 (0) 6131-39/24301
E-Mail: heinzee[at]uni-mainz.de

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