Mainzer Geographische Studien, Heft 27:

Michael Naumann: Mobile Erfassung von Temperatur und Luftfeuchte in ausgewählten Bereichen von Mainz und Wiesbaden.

 

Zusammenfassung

Mittels eines Klimameßwagens wurden im Zeitraum August 1982 bis September 1983 auf ausgewählten Profilrouten verschiedene Bereiche von Mainz (City, Altstadt, Neustadt) und Wiesbaden (Kastel, Amöneburg, Biebrich, Schierstein) befahren.

Die Ausstattung des Wagens mit einem ventilierten Psychrogeber erlaubte die kontinuierliche Messung von Temperatur und Luftfeuchte während der Fahrt bei gleichzeitiger Aufzeichnung der Daten über einen im Inneren des Fahrzeugs angeschlossenen Punktdrucker. Es bestand dadurch die Möglichkeit, die z.T. auf sehr geringen Distanzen existierenden Temperatur- und Luftfeuchtunterschiede zu registrieren.

Zur Aufbereitung der Daten erfolgte zunächst die Digitalisierung der Einzelwerte (Punktfolge: 2 sec., Papiervorschub: 600 mm/h auf den Meßstreifen. Über entsprechende EDV-Programme ließ sich anschließend die Korrektur der Werte auf bestimmte Zeitpunkte sowie verschiedene Extremwerte und Streuungsmaße ermitteln.

Besondere Berücksichtigung fanden bei der Untersuchung die klimaökologischen Auswirkungen unterschiedlicher Flächennutzungsstrukturen (Bebauungsstruktur; Grün- und Freiflächen, Wasserfläche des Rheins). Ziel der Erhebungen war es die äußerst differenzierte Temperatur- und Luftfeuchteverteilung in einigen dicht bebauten Bereichen von Mainz und Wiesbaden zu ermitteln.

Im Zeitraum der Untersuchung konnte die Existenz verschiedener Wärme- und Kältezellen nachgewiesen werden, deren Lage und Inensität insbesondere im tagesperiodischen Witterungsverlauf starken Veränderungen unterlagen. So konnten z.B. in sommerlichen Strahlungnächten maximale Temperaturdifferenzen innerhalb des Stadtgebietes von Mainz bis zu 9oC ermittelt werden, während unter winterlichen Strahlungswetterlagen geringe Differenzen auftraten.

Wesentlichen Einfluß nehmen dabei die orographischen Verhältnisse beider Städte, in erster Linie Kaltluftabflüsse in Tallagen vom rheinhessischen Palteau einerseits und von den Taunuskammlagen andererseits. Deutlich modifizierend auf das innerstädtische Temperaturverhalten von Mainz wirken sich z.B. Innerer Grünzug, Gonsbach,- Wildgraben- und Zaybachtal, auf Wiesbadener Gebiet Biebricher Schloßpark sowie Belzbach-/Mosbachtal aus. Die insgesamt geringen Amplituden auf Wiesbadener Seite im Vergleich zu Mainz sind auf die völlig unterschiedlichen Bebauungsstrukturen vor allem der rheinufernahen Bereiche zurückzuführen.

Zur Berücksichtigung der mesoklimatischen Gesamtsituation wie auch zur Korrektur der vom Fahrzeug aus ermittelten Werte auf bestimmte Zeitpunkte wurden ergänzend parallele Aufzeichnungen eines stationären Meßnetzes (Temperatur, Luftfeuchte, Windrichtung und – stärke) z.T. mit freundlicher Unterstützung des Landesamtes für Gewerbeaufsicht Rheinland- Pfalz und der Hessischen Landesanstalt für Umwelt herangezogen.

 

Stefanie Kehlberger: Luftverunreinigungen und Bioindikation im Verdichtungsraum Mainz-Wiesbaden

 

ZUSAMMENFASSUNG DER ERGEBNISSE UND SCHLUßFOLGERUNGEN

Die Beaufschlagung des Untersuchungsgebietes Mainz-Wiesbaden mit den Luftverunreinigungen Schwefel, Fluor, Blei und Cadmium aufgrund der Akkumulationsraten der standardisierten Graskulturen ergab eine Erhöhung gegenüber der Grundbelastung. Insgesamt kann, von punktuellen Ausnahmen abgesehen, jedoch nicht von einer bedenklichen Belastung des Gebietes ausgegangen werden.

Die verlängerte Expositionszeit im Meßzeitraum 1981 gegenüber 1980 ließ eine differenzierte räumliche Bewertung des Gebietes zu, bedingt durch größere Unterschiede der Akkumulationsraten der Gräser an den einzelnen Standorten. Eine Verlängerung des Akkumulationszeitraumes der Graskulturen in Gebieten mit mittleren Beaufschlagungen durch Luftschadstoffe ist deshalb zu befürworten.

Aufgrund der Schadstoffaufnahmeraten der Graskulturen stellte sich der Nordosten des Untersuchungsgebietes im Bereich Wiesbaden-Süd und dem Fort Biehler als am höchsten durch die Schadstoffe Schwefel und Cadmium belastet heraus, gefolgt von den höher gelegenen Standorten im Norden des Untersuchungsgebietes und dem Mainzer Stadtgebiet auf der Hauptterrasse.

Die Industriegebiete von Budenheim, Mainz und Wiesbaden hoben sich dagegen nicht durch erhöhte Beaufschlagungen mit Luftschadstoffen ab. Ausnahmen bildeten die Fluoridbelastungen an zwei Standorten in unmittelbarer Nähe von Fluormittenten in Mainz und Bodenheim.

Trotz des nach Nordwesten angrenzenden Mainzer Industriegebietes und städtebaulicher Verdichtung blieb die auf der Niederterrasse gelegene Mainzer Neu- und Altstadt deutlich im Bereich mittlerer Belastung, bezogen auf das Untersuchungsgebiet. Die während des Maßzeitraumes dort vorherrschenden West- und Südwestwinde dürften mit zu dieser geringen Belastung beigetragen haben.

Extrem verkehrsreiche Standorte ließen sich aufgrund ihrer gesteigerten Bleiaufnahmegeräte der Graskulturen klar erkennen. Sie bestätigen die gute Nachweismöglichkeit von Bleibelastungen mit den standardisierten Graskulturen (PRINZ 1978).

Eine Verdriftung der Immissionen aus dem Mainzer und Wiesbadener Industriebereich mit den Hauptwindrichtungen West und Südwest machten sich in den Akkumulationsraten der Gräser bemerkbar, durch die höhere Belastung des östlichen und nordöstlichen Bereiches und der geringeren Beaufschlagung des west- und südwestlichen Untersuchungsgebietes.

Die räumliche Belastung des Untersuchungsgebietes, die sich aufgrund der Flechtenexplantatmethode ergab, wich von der durch das Graskulturverfahren ermittelten Belastung etwas ab. So war die Flechtenabsterberate im Bereich der Mainzer Neu- und Altstadt am höchsten. Durch Korrelationsberechnungen mit den gleichzeitig registrierten Temperaturen und relativen Luftfeuchtegehalten konnte festgestellt werden, daß die Flechtenabsterberate eng mit diesen beiden Parametern korrelierte. Es ergab sich daraus, daß höhere Temperaturen und niedrigere Luftfeuchte auf den Schädigungsgrad der Flechten einen Einfluß nehmen. Eine alleinige Kausalität zwischen Temperatur und Luftfeuchte und Flechtenabsterberate konnte jedoch nicht nachgewiesen werden. Auch der Schwermetallgehalt in den standardisierten Graskulturen korrelierte mit der Flechtenabsterberate, indem mit steigendem Schwermetallgehalt die Schädigung der Flechten zunahm.

Um bei künftigen Untersuchungen diese Unsicherheit auszuschalten, sollte die von RABE (1982) vorgeschlagene Art der Exposition in geschlossenen Kammern unter konstanten Termperatur- und Luftfeuchtebedingungen zum Einsatz kommen.

Diese Art der Exposition wäre auch bei dem Graskulturverfahren von Vorteil, da die Korrelationsberechnungen zwischen den Akkumulationsraten der Graskulturen und der Temperatur und Luftfeuchte ebenfalls Abhängigkeiten aufzeigten. Niedrigere Temperaturen und erhöhte Luftfeuchte förderten vor allem die Aufnahme von Schwefel durch die Gräser. Dagegen erfolgte eine Abnahme der Schwefelakkumlation mit der Zunahme der Regentage.

Es sollte überlegt werden, ob insbesondere in Gebieten mit niedriger Immissonsbelastung nicht ein Ausschluß der klimatischen Einflüsse herbeigeführt werden müßte. Dies würde gewährleisten, daß Ergebnisse unterschiedlicher Jahre und verschiedener Landschaften miteinander vergleichbar wären.

Eine Beeinflussung der Schadstoffe untereinander bei der Akkumulation durch die Graskulturen zeichnete sich zwischen Schwefel und Fluorid, Schwefel und Blei und zwischen Schwefel und Cadmium ab. Während hohe Fluoridkonzentrationen die Schwefelaufnahme erniedrigten, förderte Schwefel die Aufnahme von Blei und Cadmium und umgekehrt. Man darf also nicht davon ausgehen, daß die Schadstoffe unabhängig voneinander akkumuliert werden. Gerade bei hohen Konzentrationen von einem Schadstoff (Fluorid) wurde ein anderer (Schwefel) vermindert aufgenommen. Es stellt sich die Frage, ob das Graskulturverfahren bei hohen Fluoridbelastungen gleichzeitig zum Nachweis von SO2-Immissionen uneingeschränkt anwendbar ist.
Von den Nutzpflanzen bewährten sich die Buschbohnen am besten als Reaktionsindikatoren. Sie zeigten Schädigungen ihres Blattwerkes an, obwohl die Schadstoffgehalte in den Gräsern unterhalb der Grenzwerte zum Schutz der Vegetation lagen.

Synergistische Wirkungen müssen eingetreten sein, die sich durch die Aufnahmerate alleine nicht zeigten. Die Kombinationswirkung von Schwefel und Cadmium muß durch das gemeinsame Auftreten beider Schadstoffe für diese Schädigung verantwortlich gemacht werden. Dazu kommt, daß Schwefel und Cadmium sich gegenseitig bei der Akkumulation fördern. Somit können die von KRAUSE (1975) aufgrund von Laborbegasungen festgestellten phytotoxischen Kombinationswirkungen von Schwefel und Cadmium auch auf Freilandbedingungen übertragen werden.

Kopfsalat zeigte nur, an vor allem mit Fluorid belasteten Standorten, eine Schädigung seines Blattwerkes; in niedrig belasteten Gebieten waren keine sichtbaren Beeinträchtigungen zu erkennen.

Tabak und Spinatkulturen zeigten keine Schädigungen durch Ozon bzw. Photooxidantien an. Die aufgetretenen Konzentrationen dieser Luftverunreinigungen dürften in Bereichen gelegen haben, die eine Beeinträchtigung der Reaktionsindikatoren Tabak und Spinat nicht zur Folge hatten.

In ähnlicher Weise dürften die Nutzpflanzen Kopfsalat und Endiven geringer empfindlich auf Luftschadstoffe reagieren und somit in niedrig belasteten Gebieten als Reaktionsindikatoren weniger geeignet sein.

Dagegen zeigten Kopfsalat und Endivien als Akkumulationsindikatioren sehr gute Ergebnisse. Es konnt eine Parallelität zu den Aufnahmeraten der Graskulturen festgestellt werden. Darüber hinaus ergab die Blei- und Cadmiumbelastung in Kopfsalat und Endivien an vergleichbaren Standorten eine höhere Akkumulation dieser Schadstoffe in den Nutzpflanzen als in den Graskulturen.

Eine Umrechnung auf das Frischgewicht der Pflanzen führt zu einer Überschreitung der Richtwerte für den Blei- und Cadmiumgehalt im Blattgemüse (BUNDESGESUNDHEITSBLATT 22, 1979) an einigen Standorten. Nutzpflanzen, wie Kopfsalat und Endivien, die vor allem Schwermetalle verstärkt akkumulieren, sollten vermehrt eingesetzt werden, da Rückschlüsse auf die Gefährdung des Menschen viel deutlicher zum Ausdruck kommen als bei Graskulturen. Durch die Akkumulationsraten der Gräser läßt sich nur direkt auf eine Gefährdung der Vegetation und des Weideviehs schließen. Die Aufnahmeraten der o.g. Nutzpflanzen haben aber gezeigt, daß Grenzwerte zum Schutz der Vegetation und des Weideviehs zwar nicht überschritten werden, die Gehalte der Nutzpflanzen jedoch eine deutliche Überschreitung der Richtwerte zum Schutz der Menschen aufweisen.

Trotz aller festgestellten Beinflussung der Bioindikatoren bei der Erfassung von Luftverunreinigungen im Freiland kann davon ausgegangen werden, daß die verwendeten Testpflanzen sich auch in einem Gebiet mittlerer Schadstoffbelastung bewährt haben. Es darf nur auf Luftschadstoffe isoliert reagieren.

In der vorliegenden Untersuchung wurde deutlich, daß die Witterungsbedingungen auf die Reaktion und Akkumulation der Bioindikatoren einwirken. Die hat zur Folge, daß es bei Nichtbeachtung zu einer Fehlinterpretation über Luftschadstoffbelastungen kommen kann.

Da Auswirkungen von Luftschadstoffen aber besonders an Oranismen deutlich werden, sind Bioindikatoren zur Erfassung der lufthygienischen Situation eine Raumes notwendig. Dabei sollten vor allem geeignete "Reaktionsindikatoren" zur Beurteilung von Luftschadstoffauswirkungen und –belastungen herangezogen werden.