Mainzer Geographische Studien, Heft 16

Peters, Wolfgang: Agrarklimatologische Theorie und ökonomische Praxis des Teeanbaus in Sri Lanka

 

Zusammenfassung und Ausblick

Angeregt durch die in den letzten Jahren in Sri Lanka durchgeführten geoökologischen und wirtschaftsgeograpischen Studien (v. a. AUBERT 1974, DOMRÖS 1974 und MARBY 1972), wird in der vorliegenden Arbeit versucht, die agrarklimatische Basis für die Teewirtschaft der Insel und deren Auswirkungen auf die heutige ökonomische Situation zu analysieren. Über das rein wissenschaftliche Interesse hinausgehend, verdient dieser Fragenkreis Beachtung wegen der enormen Bedeutung, die die Agrarwirtschaft insgesamt und ganz besonders der Teeanbau für die ökonomische Situation des Entwicklungslandes Sri Lanka besitzt: Über die Hälfte der Exporteinnahmen des Inselstaates erbringt der 'breadwinner' Tee. Planung auf dem agraren Sektor wird deshalb auch in Zukunft Grundlage des wirtschaftlichen und sozialen Fortschritts des rohstoffarmen Sri Lanka sein; die optimale Ausnutzung des Agrarpotentials muß dabei oberstes Ziel sein. Als ein Beitrag dazu versteht sich die vorliegende Untersuchung.

Ausgangspunkt sind die klimaökologischen Ansprüche der Kulturpflanze Tee, insbesondere in Hinsicht auf die Temperaturverhältnisse, die klimatische Wasserbilanz, die Anforderungen an Sonnenschein und Wind. Mit diesen Eingabedaten wird die klimatische Situation Sri Lankas auf Erfüllung oder Nicht-Erfüllung der Wachstumsbedürfnisse der Teepflanze untersucht, und es werden Gunst- und Ungunstregionen abgegrenzt. Dabei kristallisiert sich immer mehr die Eignung des Berglandes und des Tieflandes im SW der Insel für den Teeanbau heraus, hier liegt das klimatisch-potentielle Teeanbaugebiet. Darin können aus klimatologischer Sicht vier Anbauregionen ausgegliedert werden: das wegen seiner zum Teil überoptimalen Temperaturen nur bedingt geeignete südwestliche Tiefland, die bis auf eine zeitweilige Unterversorgung mit Sonnenschein gut geeignete W-Abdachung der Bergländer, das wegen unteroptimaler Temperaturen und gewisser Kaltluftrisiken nur bedingt geeignete top country des Zentralen Berglandes und schließlich die E-Abdachung der Bergländer, die insbesondere durch unterschiedliche Wasserbilanzverhältnisse in der SW-Monsunperiode noch einmal stärker in sich differenziert ist.

In der heutigen Verbreitung des Teeanbaus in Sri Lanka findet sich eine gute bis optimale Anpassung an die klimaökologischen Gegebenheiten; die Grenzlinien des klimatisch-potentiellen Teeanbaugebietes, die horizontale Hitze- und Trockengrenze wie auch die vertikale Wärmemangelgrenze, werden von denen des tatsächlichen nachgezeichnet, was die grundlegende Bedeutung der agrarklimatischen Ausgangssituation unterstreicht. Trotzdem wäre die heutige Verbreitung des Teeanbaus der Insel nicht ohne die historische Entwicklung verständlich, wobei insbesondere die frühere Ausdehnung und der plötzliche Niedergang der Kaffeewirtschaft in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts die Voraussetzung für eine flächendeckende Nutzung durch Tee im Zentralen Bergland waren, während der Teeanbau in den Tieflandsbereichen in Konkurrenz sowohl zur traditionellen singhalesischen Landwirtschaft wie auch zu anderen marktorientierten Anbaukulturen, allen voran der Kautschuk, trat, so daß hier eine heterogen strukturierte Mischwirtschaft die Folge war. Insofern ist die unterschiedliche Dichte der heutigen Nutzung in erster Linie das Ergebnis der Entwicklung in der Pionierphase von 1867 bis zur Jahrhundertwende.

Für die heutige Ertragslage sind insbesondere die ökonomischen Verhältnisse entscheidend, die sich v. a. in der Betriebsgrößenstruktur widerspiegeln. Gerade hier hat sich in der Zeit seit der Unabhängigkeit, u. a. begründet durch Bestrebungen zur Nationalisierung der Teewirtschaft, eine allmähliche Umstrukturierung ergeben; die small-holdings, bäuerliche Kleinbetriebe, die unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten in der Regel unökonomisch arbeiten, konnten ihren Anteil am Teeland ausdehnen, und auch bei den Plantagen ist eine Tendenz zur Verkleinerung der mittleren Betriebsgröße zu beobachten. Dies führte zusammen mit einer politischen Unsicherheit, die schon lange vor der Verstaatlichung der Plantagen im Jahre 1975 in- und ausländische Investoren zum Rückzug veranlaßte, zu einem Rückgang der Produktivität.

In den Jahren 1974 und 1975 ergaben sich tiefgreifende Veränderungen in der ökonomischen Situation, die einerseits durch die Verstaatlichung der Plantagen und andererseits durch einen enormen Preisaufschwung bedingt waren. Die gestiegenen Gewinne aus der Teewirtschaft bleiben jetzt im Lande, was möglicherweise die Grundlage für eine langfristige Verbesserung der seit 1966 defizitären Handelsbilanz Sri Lankas schafft - wegen der immer noch recht einseitig ausgerichteten Wirtschaft der Insel eine im übrigen schwer zu prognostizierende Entwicklung, da schon leichte Verschiebungen der Weltmarktsituation für Tee eine neuerliche Tendenzwende bedeuten können.

In Bezug auf die saisonalen Fluktuationen von Erntemenge und -qualität konnte gezeigt werden, daß die im Jahresablauf wechselnden agrarklimatischen Bedingungen hierfür nahezu allein verantwortlich sind. Allen voran die atmosphärisch mögliche und die aufgrund der Wasserbilanz tatsächlich erreichbare Transpirationsrate der Teepflanze erklären sowohl die periodisch auftretenden Produktionsspitzen bei einzelnen Betrieben wie auch die Schwankungen in Mengenangebot und Qualität, wie sie bei der Auktion in Colombo alljährlich zu beobachten sind.

Abschließend soll noch kurz auf die Frage eingegangen werden, welche wissenschaftlichen Prinzipien sich für die Weiterentwicklung der Teewirtschaft Sri Lankas ergeben, ohne daß allein auf der Grundlage der vorliegenden Arbeit hierauf eine erschöpfende Antwort gegeben werden kann; dazu fehlt es noch in vielen Bereichen an Grundlagenforschung, u. a. im Bodenkundlichen und im Volkswirtschaftlichen, wobei im Rahmen des letzteren insbesondere das Problem der Rentabilität der small-holdings zu analysieren wäre. - Angesichts der augenblicklichen Situation des rohstoffarmen Entwicklungslandes Sri Lanka, das sich bei wachsendem Bevölkerungsdruck ständig zu hohen Nahrungsmittelimporten gezwungen sieht, läßt sich jedoch insbesondere ein Ziel festhalten: Nach der Verschlechterung der Ertragslage, die sich insbesondere in Hinsicht auf die Hektarerträge in den letzten Jahren, seit etwa 1965, ergeben hat, müssen alle Anstrengungen gemacht werden, die Produktivität wieder zu steigern, was nur unter folgenden Voraussetzungen möglich sein wird:

  1. Räumliche Konzentration auf die ökologisch für den Teeanbau bestgeeigneten Regionen. Die marginalen Bereiche in low, mid und high country, in denen der Anbau anderer Nutzpflanzen lohnender erscheint, sollten aufgegeben werden, wobei es allerdings nicht ratsam ist - wie es in der Vergangenheit z. T. vorgeschlagen wurde - die Einschränkungen z. B. nur auf das Tiefland zu beziehen. Vielmehr sollte das Angebot der verschiedenen Produktionsräume erhalten bleiben, da die Tees unterschiedlicher Provenienz verschiedene Märkte haben, so daß auf diese Weise eine gewisse Breite der Wirtschaftsbeziehungen schon innerhalb der Teewirtschaft erhalten bleiben kann und die Gefahren der Monostruktur in Grenzen gehalten werden.
  2. Förderung insbesondere der Plantagen mit betriebswirtschaftlich optimaler Größe mit 300 bis 400 ha Teeland.
  3. Bessere Umsetzung der wissenschaftlich begründeten Anbautechniken, insbesondere in Hinsicht auf die Verjüngung der Bestände mit v. p.-Tee, auf contour planting und andere Maßnahmen zur Verhinderung von Bodenerosion und auf Düngung.

Dies alles braucht, ja darf nicht zu einer Steigerung der Gesamtproduktion führen, vielmehr sollte die Erhöhung der Hektarerträge und die Konzentration auf die ökologisch bestgeeigneten Regionen parallel erfolgen, so daß eine intensivierte Teewirtschaft auf kleinerer Fläche die gleiche Gesamtproduktion erzeugt und in den Export bringen kann. Bei all dem darf jedoch das Prinzip der Qualitätstee-Erzeugung nicht aufgegeben werden.

Die auf diese Weise mittel- und langfristig freigesetzten Flächen könnten sowohl im Rahmen der staatlichen Diversifizierungsprogramme für andere 'cash crops'genutzt werden, wie auch, und das erscheint angesichts des wachsenden Bevölkerungsdrucks mindestens ebenso wichtig, zur Nahrungsmittelproduktion. In diesem Zusammenhang wurden im Jahre 1975 von der damaligen Regierung Sri Lankas Überlegungen angestellt, einen Teil des Tees im Hochland durch Weideflächen zu ersetzen, um darauf die Viehwirtschaft voranzutreiben und die einheimische Fleisch- und Milchproduktion zu erhöhen. Dies und die Überführung von marginalem Tee- in Zuckerrohrland sind sicherlich Ansätze für eine richtige Entwicklung.

Die Verstaatlichung der Plantagen hat der Regierung Sri Lankas mit den nunmehr staatseigenen Verwaltungsgesellschaften ein Instrument in die Hand gegeben, das - wenn es richtig genutzt wird - eine positive Entwicklung des Inselstaates einleiten kann, für den das Agrarpotential auch in Zukunft entscheidende Grundlage des Fortschritts bleiben wird. Die übrigen Anstrengungen zur Diversifizierung der Exportwirtschaft durch Industrie-Erzeugnisse wie auch die Förderung der Tourismus-Industrie sind zwar auch begrüßenswert, deren Erfolge stehen und fallen jedoch mit der Entwicklung der inländischen Agrarwirtschaft; denn solange existenznotwendige Nahrungsmittel auf dem Weltmarkt eingekauft werden müssen, wird sich die Inselrepublik nie aus den Abhängigkeiten von finanzkräftigen Drittländern lösen können.