Mainzer Geographische Studien, Heft 12:

Ambos, Robert: Untersuchungen zur pleistozänen Reliefentwicklung im Oberen Todrhagebiet am Südrand des Hohen Atlas (SE-Marokko)

 

Ergebnisse

Die vorliegende Untersuchung hatte zwei Zielsetzungen: einerseits die Analyse der morpholo- gischen Entwicklung des Untersuchungsgebietes unter dem Einfluß regionaler Verhältnisse, wobei klimatische Faktoren einen Formbildungskomplex bilden; andererseits die Diskussion der morphodynamischen Vorgänge bei der Entstehung von Glacisterrassen.

Die Ergebnisse der regional bedeutsamen Fragestellung dieser Arbeit sind bereits in Kap. 4.4 als Abriß der pleistozänen Morphodynamik im Untersuchungsgebiet zusammengefaßt. Die wichtigsten Resultate seien nochmals in den folgenden Hauptpunkten aufgeführt:

  1. Im jüngeren Villafranchien war die horizontale Ausdehnung der Becken am größten.
  2. Die nachfolgende Hebung der Gebirgsumrahmungen führte zu einer tektonisch bedingten Einengung der Becken.
  3. Die von J. MARGAT (1953c) ins jüngere Altquartär gestellte schwächere Hebungsphase des Hohen Atlas (gefaltete Terrasse im Becken von Igoudmane) ist als bedeutend älter (Prägünz) einzustufen.
  4. Teile der Becken waren bereits im Altpleistozän bis fast zu ihrer heutigen Tiefe ausgeräumt.
  5. Seit dem Altquartär hat keine nennenswerte Hangrückverlegung mehr stattgefunden (Ausnahme: Hänge aus gering widerständigen Gesteinen).
  6. Einzelne Beckenteile wurden vorwiegend auf Grund anstehender, wenig widerständigen Gesteinen erheblich tiefer ausgerämt als andere, ohne daß sich diese beschleunigte Tieferschaltung in einer verstärkten Hangrückverlegung ausgewirkt hat.
  7. Die Tieferlegung der die Becken entwässernden Hauptoueds wurde überwiegend von der Lage der jeweiligen lokalen Erosionsbasis am Gebirgsaustritt und den Gefällsverhältnissen in den Durchbruchsstrecken unterhalb der Beckenausgänge her gesteuert.
  8. Die charakteristische Ausbildung der Terrassensedimente wurde weniger von den Gefällsverhältnissen als überwiegend von den jeweiligen Klimabedingungen her bestimmt.
  9. Die Akkumulationsphasen lassen von alt zu jung eine kontinuierliche Abnahme der Abflußmengen erkennen, unterbochen nur durch eine mehrmalige Erhöhung während der T-3-Akkumulationsphase.
  10. Die klimatischen Verhältnisse während der T-3-Akkumulationsphase waren zumindest zeitweilig so beschaffen, daß nicht nur ein Formungsprozeß - Akkumulation - möglich war. Als Folge einer schwächeren klimatischen Schwankung konnte wenigstens teilweise - vermutlich durch lokale Einflüsse begünstigt - auch der entgegengesetzte Formungsprozeß - Erosion - stattfinden.
  11. Besondere lokale Erscheinungen, wie z. B. Karstquellen oder Bergrutsche, beeinflußten den allgemeinen Formungsablauf in den Becken so maßgeblich, daß der jeweilige Beckenteil einen eigenständigen, im Extremfall sogar dem allgemeinen völlig entgegengesetzten Formungsablauf besaß.
  12. Bei grundsätzlich unveränderter arider Morphodynamik (Flächenbildung und Flächenerhaltung oder -weiterbildung) konnten Klimaschwankungen seit dem Ende der Ausbildung des T-G-6-Systemes nur dann andersartige Formungsprozesse bewirken, wenn regionale oder lokale Faktoren die Voraussetzung dafür boten. Den wichtigsten Faktor stellt dabei die Lage der jeweiligen lokalen Erosionsbasis der Hauptoueds am Gebirgsaustritt dar, da von ihr aus das Gefälle der Oueds gesteuert wurde. Angelpunkt allen Formungsgeschehens blieb also immer das Bestreben der Hauptoueds, so schnell wie möglich ein ausgeglichenes Längsprofil herzustellen, d. h. über eine Gefällsverminderung in der Laufstrecke unterhalb des Beckens und eine Gefällsverteilung innerhalb des Beckens rückschreitend die Normalgefällskurve zu erreichen. Die mehrmaligen Klimaschwankungen ermöglichten oder verhinderten dies Bemühen. War dieses Bestreben bei einem Oued nicht gegeben, so blieben dieselben Klimaschwankungen, die sonst zum Wechsel von Tiefenerosion und Akkumulation führten, wirkungslos (polyzyklisches Glacis). Alle anderen Faktoren, wie Petrovarianz, Karstquellen, Bergrutsche etc., waren von nur untergeordneter Bedeutung und konnten das Erreichen des allgemeinen Zieles der Hauptoueds entweder begünstigen oder erschweren.

Gegenüber diesen, die spezielle morphologische Entwicklung des Untersuchungsgebietes betreffenden Ergebnissen lassen sich die Resultate zur Glacisterrassengenese in den folgenden Hauptpunkten zusammenfassen:

  1. Die Ausbildung unterschiedlicher Glacistypen kann ausschließlich von der Lage der lokalen Erosionsbasis des jeweils zugehörigen Ouedsytemes abhängen. Unter gleichen klimatichen Voraussetzungen sind also Flächenerhaltung oder -weiterbildung (polyzyklisches Glacis) einerseits, und Wechsel von Flächenbildung und Flächenzerschneidung (Glacisterrassen) andererseits, nebeneinander möglich.
  2. Die Entstehung verschiedener Rückhang-Glacisterrassen-Typen ist abhänig von der Petrovarianz.
  3. Die Glacisterrassengenese kann, ohne jeden Einfluß durch das Hinterland, ausschließlich durch die mehrfache Tieferlegung der lokalen Erosionsbasen an den Vorflutern gesteuert werden.
  4. Glacisterrassen allein gestatten daher noch keine Rückschlüsse über den Ablauf des Klimas, da die einfachste Ableitung ihrer Entstehung auch ohne die Zuhilfenahme von Klimaschwankungen möglich ist.
  5. Nicht der Wechsel von Flächenbildung und Flächenzerschneidung gibt Aufschluß über eine Klimaänderung, sondern allenfalls die Abfolge der Tieferlegung der lokalen Erosionsbasen an den Vorflutern.
  6. Rückschlüsse aus der Abfolge der Terrassen-Glacis-Systeme auf die Anzahl und das Ausmaß der pleistozänen Klimaänderungen lassen sich allenfalls bei genauester Kenntnis der tektonischen Vorgänge während des zu betrachtenden Zeitraumes ziehen, da ein vollständiges T-G-System innerhalb einer längeren Periode unveränderter klimatischer Verhältnisse das Ergebnis wiederauflebender tektonischer Vorgänge sein kann.
  7. Auch aus der Mehrgliedrigkeit eines T-G-Systemes kann keinesfalls auf echte, die Morphodynamik prinzipiell verändernde Klimaschwankungen geschlossen werden. Falls nicht sogar ausschließlich lokale Faktoren die Ursache waren, können auch geringste klimatische Schwankungen - eventuell durch nicht mehr rekonstruierbare lokale Einflüsse begünstigt - zu einem Wechsel oder Nebeneinander verschiedener Formungsprozesse geführt haben.
  8. Klimabedingte Erscheinungen, wie z. B. verstärkte Schuttproduktion durch Frostsprengung, waren sicherlich ein wichtiger Faktor im Gesamtablauf der Genese eines T-G-Systemes. Die gleiche Erscheinung kann aber in einem intramontanen Becken durch zufällige Konzentration an einer Stelle (Bergrutsch) Auswirkungen haben, die für den betroffenen Beckenteil im Sinne eines lokalen Faktors in der Folge den allgemein typischen Ablauf der Formungsprozesse grundlegend verändern können.