Mainzer Geographische Studien, Heft 18:

Büchner, Hans-Joachim: Die temporäre Arbeitskräftewanderung nach Westeuropa als bestimmender Faktor für den gegenwärtigen Strukturwandel der Todrha-Oase (Südmarokko)

Im Programm zur Modernisierung der wassertechnischen Infrastruktur südmarokkanischer Oasen gehört die Todrha Oase (1982: ca. 44.000 Einw.) nicht zu den vordinglichen Investitionsschwerpunkten. Denn sie verfügt über eine durch starke Karstquellen und Rhettaras gut gesicherte Wasserversorgung, in der noch ungenutzte Reserven für die Inwertsetzung der breiten, an die Oase anschließenden baumlosen Lehmterrasse stecken. Auf diesem als Etappenweide von Transhumanten bzw. für einen episodischen Getreidebau (Maaderkulturen) nur extensiv genutzten Areal ist schon seit langem ein großes staatliches Bewässerungsperimeter geplant, das aber wegen der zuvor notwendigen völligen Neuordnung der Wasserverteilung in der Altoase bislang noch nicht durchgesetzt werden konnte. Dafür kommt es gegenwärtig im oasennahen Bereich durch Installation von privaten kleinen Motorpumpen zu einer Oasenerweiterung. Die hier am Unteren Todrha siedelnden ehemaligen Ait Atta-Nomaden übertragen dabei die ihnen bodenrechtlich vertraute Form der Langstreifenfluren auch auf diese neuen Bewässerungsareale. Die Motorpumpe und der Langstreifen bilden die Grundlage einer Betriebseinheit, auf der in gleicher Weise wie in der Altoase Gemüse, Getreide, Luzerne und Baumfrüchte erzeugt werden. Das 'Regionalamt für landwirtschaftliche Entwicklung' (ORM- VA) unterstützt diese private Form der Oasenerweiterung, weil dadurch hier die Subsistenzbasis der Bevölkerung gestärkt wird. An dieser Entwicklung partizipieren allerdings im wesentlichen nur die in Westeuropa arbeitenden Migranten und ihre Angehörigen, weil sie über das notwendige Investitionskapital verfügen.