Dr. Simone Gerhards

Projekttitel: Konzepte von Müdigkeit und Schlaf im alten Ägypten.

Betreuerinnen: Prof. Dr. Ursula Verhoeven-van Elsbergen, Prof. Dr. Doris Prechel

Dissertationsprojekt:

Schlaf ist einerseits ein intimer und verletzlicher, andererseits auch banaler und unbewusster Zustand des Lebens, dem sich weder Mensch noch Tier entziehen kann. Erkenntnisse über den Schlaf spiegeln viele spezifische Verhaltensweisen, Emotionen, Assoziationen oder auch Ängste von Individuen und Gesellschaften wider. Genau diese Merkmale gilt es, in einer Untersuchung zur Schlafkultur herauszuarbeiten. Dadurch lassen sich mögliche menschliche Universalien, kulturelle Spezifitäten und mitunter sogar Tradierungen aufdecken. Schon ein kurzer kulturübergreifender Blick auf den Themenkomplex zeigt vielfältige Adaptionen in Bereiche wie Religion (bspw. Ähnlichkeit von totem und schlafendem Körper, „Wiederauferstehung“) und Literatur (Schlaf als Element um Schutzlosigkeit zu evozieren; vgl. das Motiv „Schlaf“ im Horrorfilmgenre). Das Dissertationsvorhaben strebt an, die mehrschichtigen Vorstellungen der alten Ägypter über Müdigkeit, Schlaf und Erwachen zu untersuchen und die dahinter stehenden Konzepte zu eruieren und mit anderen Kulturen zu vergleichen. Die heranzuziehenden Quellen lassen sich in drei Kategorien aufteilen: archäologische Hinterlassenschaften wie Betten, Kopfstützen und Schlafstätten und deren Darstellungen; flachbildliche und rundplastische Darstellungen von müden oder schlafenden Personen, Tieren und Göttern sowie schriftliche Quellen. Um möglichst viele Quellen berücksichtigen zu können, ist ein Untersuchungszeitraum vom Alten Reich bis zum Beginn der römischen Zeit (ca. 2800 v. Chr. bis 30 v. Chr.) angedacht. Leitfragen sind unter anderem: Wie erklärten die alten Ägypter selbst Müdigkeit, Schlaf und Erwachen sowie deren Kreislauf? Welche mikro- (z. B. Schlafplatz) und makroökologischen (z. B. Tagesrhythmus) Faktoren beeinflussten Müdigkeit, Schlaf und Erwachen? Mit welchen Worten wurden Müdigkeit, Schlaf und Erwachen ausgedrückt, wie unterscheiden sich diese und gibt es textartenbedingte oder kontextuelle Disparitäten? Mit welchen körperlichen und geistigen Aspekten wurden Müdigkeit, Schlaf und Erwachen assoziiert? Welche Empfindungen, Bedeutungen und Ängste verbanden die Ägypter mit Müdigkeit, Schlaf und Erwachen? Wie wurden Müdigkeit, Schlaf und Erwachen im Kontext von Heilkunde/Magie erwähnt und perspektiviert? Welche Aspekte von Müdigkeit, Schlaf und Erwachen wurden mit Gottheiten, Dämonen und Verstorbenen in Verbindung gebracht? Wie wurden Müdigkeit, Schlaf und Erwachen metaphorisch ausgedeutet (sowohl als Quell- als auch Zieldomäne)? Um den unterschiedlichen Fragestellungen sowie der heterogenen Quellenlage Rechnung zu tragen, wird methodisch eine multimodale Herangehensweise verfolgt: Dabei kommen u. a. kultursemiotische Überlegungen, die konzeptuelle Metapherntheorie, die Prototypensemantik sowie Aspekte der Wortfeldanalyse zum Einsatz.

Das Dissertationsprojekt wurde im Frühjahr 2020 abgeschlossen.

Die Arbeit wurde veröffentlicht als Gerhards, S., Konzepte von Müdigkeit und Schlaf im alten Ägypten (Studien zur Altägyptischen Literatur, Beiheft 23), Hamburg 2021.