Flusspferd – E.4 – IV.1 Narrative Texte

Epik: Die deutschsprachigen Versionen des Alexanderromans gehen unterschiedliche Wege im Umgang mit dem kaum mehr identifizierbaren Tier: Der Straßburger Alexander (um 1187) ersetzt die ypotami der lateinischen Vorlage (hier: Hdp J2 § 86) durch → Krokodile (4499-4509) bzw. lässt alle weiteren Flusspferd-Passagen unberücksichtigt. Konsequent ersetzt auch der Wernigeroder Alexander (vor 1397) – wie schon weitgehend Quilichinus de Spoleto, seine lateinische Quelle – die Flusspferde durch andere, oft nicht weiter bestimmbare Wassertiere (3582-3587). In Seifrits Alexander werden die ypocani als grassew mer wunder / und tewfflischew chunder (5423-5425) rudimentär klassifiziert. Ulrich von Etzenbach erwähnt die – seinem Publikum sicher unbekannten – ipomites mehrfach im Verein mit Reptilien, Schlangen und Drachen (21511-21516; 22011-22015), was eine entsprechende Klassifizierung nahe legen dürfte; auch das flusspferd-ähnliche Fabelwesen (Vorlage: Hdp § 92 → C. IV.1) rückt Ulrich in die Nähe eines Drachens, indem er die Hornhaut und die valsch tücke des Tieres besonders hervorhebt (22021-22039). Bei Johannes Hartlieb werden die yppodani mit merros umschrieben (5760-5763). Ulrich von Etzenbach gibt schließlich noch eine ausführliche Beschreibung des Tieres (25559-25569), in der Tier als ein amphibisch lebendes Mischwesen aus Pferd und Bär, das größer als ein Auerochse ist, imaginiert wird. Möglicherweise ist der kentaurartige ippotamus aus der Epistola Alexandri ad Aristotelem (B 25,34-36 → C. IV.1) dafür das Vorbild, doch hat Ulrich damit ein Fabelwesen ganz eigener Art kreiert.

Die epischen Funktionen, die dem Flusspferd in den deutschsprachigen Texten zugewiesen werden, unterscheiden sich nicht von denen in den lateinischen Texten. Es gehört auch hier als eine der ‚Gefahren des Wassers‘ und der theriomorphen ‚Plagen‘ zu den ‚Wundern des Ostens‘ und markiert Alexanders punktuell begrenzte Macht – außer bei Johannes Hartlieb (5769-5775), der die Szene – in Anlehnung an die Epistola Alexandri ad Aristotelem (B 25,39-26,3 → C. IV.1) – so ausbaut, dass ein Alexander gezeigt wird, der sich darauf versteht, die (allerdings auch für ihn gefährlichen und unbezwingbaren!) Flusspferde als Instrument zur Demonstration seiner Macht zu verwenden.

Ausg.: Straßburger Alexander = Pfaffe Lambrecht: Alexanderroman, ed. E. Lienert 2007: Seifrits Alexander, ed. P. Gereke 1932; Ulrich von Eschenbach [recte: Etzenbach]: Alexander, ed. W. Toischer, Reprint 1974; Der große Alexander aus der Wernigeroder Hs., ed. G. Guth, 1908; Johannes Hartlieb: Alexander, ed. R. Pawis, 1991.

Lit.: S. Obermaier: Antike Irrtümer und ihre mittelalterlichen Folgen: Das Flusspferd, in: Antike Naturwissenschaft und ihre Rezeption 21 (2011), 135-179, hier 148-163.

Sabine Obermaier

Zurück zu "Flusspferd" | Zurück zu "E.4 Deutsche Literatur" | Zurück zu "E.4 Deutsche Literatur - III.2 Tierepos" | Weiter zu "E.4 Deutsche Literatur - IV.3 Diskursive Texte"