Flusspferd – E.4 – II.2 Tierkunde, Enzyklopädik

Konrad von Megenberg ordnet das wazzerpfärd – wie schon seine Vorlage Thomas III, der aus Thomas von Cantimpré nur noch den Abschnitt De equo fluminis übernimmt (→ C. II.2) – unter den merwundern ein (BdN III.C.10). Seine Beschreibung, die sich eng an seine lateinische Vorlage anschließt, erwähnt die amphibische Lebensweise, die Pferdehaare, die wie beim Rind zweigespaltenen Klauen, den Schweineschwanz, das Pferdegewieher, die Undurchdringlichkeit der Haut, die pferdeähnlichen Eingeweide und die einem Esel entsprechende Größe. Neu dürfte am Ende der ratlose Zusatz sein: Da mach auz, waz du welleſt (ebd., 263, 9). Es zeugt von der Schwierigkeit des Predigers, ein Tier auszulegen, dessen Identität nicht eindeutig ist und für das es keine christliche Auslegungstradition gibt.

Noch bei Conrad Gesner hat das Flusspferd seinen Platz im Fischbuch, aber es ist dort eingeordnet im fünften Teil, der den Thieren So auff erden vnd im waſſer ſind (fol. CCr), also den amphibisch lebenden Säugetieren, gewidmet ist. Nach­drücklich wird bei Gesner die Nähe zum Pferd relativiert: In den Vordergrund rückt nunmehr die – nach heutigen Maßstäben biologisch korrektere – Nähe zum Schwein. Dennoch finden sich auch bei Gesner noch die alten ‚Irrtümer‘, z.B. die Ansiedelung des Flusspferdes an Ganges und Nil, das Festhalten am zweigespaltenen Huf (gegen Augenzeugenberichte!). Besondere Aufmerksamkeit schenkt Gesner den Zähnen des Tieres. Anlass bietet ein Fundstück, dennoch bleibt Gesner skeptisch, ob es sich dabei wirklich um einen Flusspferdzahn handelt (HA 4, 497).

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Ausg.: Konrad von Megenberg: Das ›Buch der Natur‹, ed. R. Luff/G. Steer, 2003; Thomas von Cantimpré: Liber de naturis rerum. Redaktion III (Thomas III), ed. Projektgruppe B2 des SFB 226 Würzburg-Eichstätt unter Leitung von B. K. Vollmann, [1992, masch.]; Conrad Gesner: Fischbuch, Zürich: Christoph Froschauer d.Ä. 1563 (Microfiche-Ausgabe 1994).

Lit.: S. Obermaier: Antike Irrtümer und ihre mittelalterlichen Folgen: Das Flusspferd, in: Antike Naturwissenschaft und ihre Rezeption 21 (2011), 135-179, hier 142f. und 171-175.

Sabine Obermaier

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