Kranich – E.1 – IV.2 Lyrische Texte

Skaldik: In der Skaldendichtung tritt der Kranich vereinzelt als Bestandteil von → Rabenkenningar in Erscheinung. Bei den mit Abstand meisten Rabenkenningar dient der Name eines beliebigen Vogels als Grundwort, das durch verschiedene Ausdrücke aus dem Bereich des Krieges und des Todes bestimmt wird. Mit trani als Grundwort sind die  Rabenkenningar ›Kranich des Kampfgetümmels‹ (hjaldrs trani) und ›Blutkranich‹ (blóðtrani) überliefert. In Hjalmars Sterbelied begegnet Trani als Männername.

Ausg.: Den Norsk-Islandske skjaldedigtning, ed. F. JÓNSSON, 1912-1915.

Lit.: R.MEISSNER (ed.): Die Kenningar der Skalden, 1921.

Þulur: Die in den Handschriften der Snorra-Edda überlieferten Þulur führen Trani als Schwertname und als → Schlangenname bzw. als poetisches Synonym für ›Schwert‹ (Sverða heiti) und ›Schlange‹ (Orma heiti) auf. Wie sich der Waffenname erklärt, bleibt rätselhaft, könnte jedoch mit der Hals- oder Schnabelform bzw. dem gesamten Flugbild des Vogels zusammenhängen. Da in der altnordischen Literatur geheimnisvoll tönende Schwerter greifbar sind, ist auch der charakteristische Schrei des Kranichs in Betracht gezogen worden.

Ausg.: Den Norsk-Islandske skjaldedigtning, ed. F. JÓNSSON, 1912-1915.

Lit.: H. FALK: Altnordische Waffenkunde, 1914; F. GRÜNZWEIG: Das Schwert bei den Germanen, 2009.

Rímur: In den Úlfhams rímur (auch Vargstökkur) wird eine eigentümliche Beziehung zwischen jungen Männern und Kranichen angedeutet (IV, Strophe 21-23; V, Strophe 34 ff.). Eine ausführlichere Schilderung dieser Beziehung ist in der nachmittelalterlichen Úlfhams saga anzutreffen. Es handelt sich um eine Form der Mahrtenehe. Die Kranichfrauen verwandeln sich mit Hilfe einer Art Vogelhülle (hamr) und entsprechen somit dem Motiv der Schwanenjungfrau.

Ausg./ Lit.: Úlfhams Saga, ed. A. GUÐMUNDSDÓTTIR, 2001.

Sigmund Oehrl

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