Elefant – E.4 – IV.2 Lyrische Texte

In der Marienlyrik dient der Elefant – in der Tradition des Physiologus – als Symbol der Keuschheit Marias (Konrad von Würzburg, Lied 1, v. 162; Mönch von Salzburg, Geistliche Lieder, Lied 1, 13,5; Lied 7, 7,4). In der Minnelyrik spielt der Elefant dagegen keine Rolle.

In der mittelhochdeutschen Sangspruchdichtung finden sich zwei interessante Erwähnungen des Elefanten: Reinmar von Zweter bietet eine simplifizierende Wiedergabe des auf Gregor den Großen zurückgehenden Bildes vom schwimmenden Elefanten und vom watenden Lamm (1ReiZw/1/85; vgl. MICHEL). Gregor fasst in diesem Bild die paradoxe Qualität der Heiligen Schrift, die einfachen Gemütern etwas zu bieten vermag, obwohl sie für die sublimen, theologisch geschulten Geister nicht ergründbar ist. Bei Reinmar steht das Gewässer nicht mehr für die Schrift, sondern für das Christentum allgemein. Reinmar legt die Tiere allegorisch aus: Das → Lamm repräsentiert die ›Einfalt‹, der Elefant – ganz ins Negative gewendet – das ›Aufgeblasensein‹, indem er mehr will, als er kann. Beim Marner tritt der Elefant auf als Mitglied der Tiersozietät, die sich einen König wählen will (XIV,14, RSM 1Marn/6/13; mit Anspielung auf die Fabel von → Kröte und → Rind, vgl. DICKE/GRUBMÜLLER Nr. 168); und im berühmten Physiologus-Spruch des Marners wird das Reproduktionsverhalten von → Löwe, Elefant, → Strauß, → Adler, → Phönix und → Pelikan allegorisch auf die Erlösung des Menschen durch Christus ausgelegt (XV,15, RSM 1Marn/7/15).

Ausg.: Konrad von Würzburg: Kleinere Dichtungen 3, ed. E. SCHRÖDER, 1970; Die geistlichen Lieder des Mönchs von Salzburg, ed. V. Spechtler, 1972; Der Marner, ed. PH. STRAUCH, ND 1965.

Lit.: H. BRUNNER/B. WACHINGER (ed.): Repertorium der Sangsprüche und Meisterlieder des 12. bis 18. Jahrhunderts, Bd. 1ff., 1986ff.; P. MICHEL: Wo das Lamm watet und der Elefant schwimmt, in: FS Peter Rusterholz, 1999, 71-86.

Sabine Obermaier

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